Die erste Abrechnung

Fieberhaft habe ich gewartet - auf die erste Tantiemenabrechnung eines Self-Publishing-Buchs im Print-on-Demand. Ein Sonderfall: ein literarisches Sachbuch. Wie lässt sich ein so spezielles und eigentlich fast unsichtbares Buch wie "Faszination Nijinsky" verkaufen? Machen wir uns nichts vor: Der stationäre Buchhandel giert nicht danach, Self-Publishing-Bücher in die Regale zu stellen. Sortimenter wie KNV (Buchkatalog) sind kaum zu gewinnen - und damit fallen alle Buchhandlungen weg, die nur über Buchkatalog bestellen wollen! Und das Feuilleton ruft gleich Igittibäh. So eine richtig große fette Community habe ich mir auch so schnell nicht aufbauen können, unter rund 1600 Followers bei Twitter ist viel Müll dabei (Bots, billige Jakobs und andere Maschinen) und mit 172 Fans bei Facebook habe ich mir wahrlich keinen abgebrochen. Da ginge mehr, wie man so schön sagt. Dann noch ein Thema wie Ballett, Kunst und Wahnsinn, das man im Fachjargon "Nische" nennt, eine Nische, zu der ich ebenfalls persönlich keine direkten Kontakte hatte.

Ich möchte keine absoluten Zahlen nennen, aber ich denke, die Vergleiche sprechen Bände. Das Buch erschien Mitte Juli 2011, lief also bis zum Abrechnungszeitraum, der am 31.12.2011 endete, gerade knapp sechs Monate. Es hat mehrfach Leserrezensionen bekommen, eine "Buch des Monats-Empfehlung" bei den Bücherfrauen, aber leider noch keine Rezension in Presse oder Medien. Lesungen laufen erst in diesem Jahr an, demnächst soll auch das E-Book erscheinen (eine gekürzte Fassung ohne Fotos). Zwei Buchhandlungen waren meines Wissens bereit, das Buch in ihren Laden zu stellen - es handelt sich um Buchhändler, die ich persönlich kenne und kontaktiert habe.

Verglichen mit meinen Büchern in Verlagen wie Lübbe oder Hanser bin ich von deren Verkaufszahlen natürlich sehr weit entfernt - solche Illusionen sollte man sich als Self Publisher nicht machen. Ich habe jedoch meine eigenen Erwartungen übertroffen. In einem halben Jahr habe ich Verkaufszahlen geschafft, wie ich sie von einem ganzen Jahr etwa bei einem Verlag wie Parthas kenne - und das, wie gesagt, ohne all die Möglichkeiten, die ein Verlag hat. Das finde ich beachtlich, zumal ich sehe, was man als einzelner Autor bewegen kann!

Besonders schön ist, dass ich eine absolut detaillierte Abrechnung nach Verkäufern in Händen halte - eine solche Aufsplittung vermisst man als Verlagsautor leider. Ich kann also sehen, wer mir zum Erfolg verholfen hat. Und da sind meine besten Verbündeten - weit abgeschlagen vor den anderen - die Sortimenter Libri und Umbreit (ohne Buchhandlungsbestellungen). Wenn ich die Zahlen richtig deute, stecken da neben möglichen Libri-Direkteinkäufen vor allem zwei dahinter: Amazon und Book2Look.

Was mich absolut überrascht, wenn ich richtig deute: Book2Look hätte demnach sogar mehr Kunden generiert als Amazon! Das bestätigt mich in zwei Theorien, die ich schon lange vermute:
1. Amazon ist nicht der idealste Händler, wenn es um anspruchsvolle Bücher und schwierigere Ware geht.
2. Ausführliche Leseproben, die auch noch buchähnlich wie bei Book2Look aufbereitet und mit Social Media verknüpfbar sind, sprechen am meisten für ein Buch. Eine Buchbeschreibung kann noch so gekonnt sein - am besten steht der Text für sich selbst ein. Und er spricht besser zu den Lesern, wenn es mehr als nur die üblichen zwei bis drei Seiten sind.
Das sind aber, wie gesagt, nur Hypothesen, wenn die Kindle-Ausgabe erscheint, werde ich sehen, ob sich etwas verändert.

Der hauseigene Shop des Herstellers kann gnädig vergessen werden, aber das liegt auch daran, dass er nicht leicht gefunden wird und in der Navigation ebenfalls nicht besticht. Wer wird dort einkaufen? Andere Kunden des Herstellers?
Ein dickes Dankeschön geht an die Buchhandlung Straß in Baden-Baden, die unter den Buchhandlungen am meisten verkauft hat, was sich aber daraus erklärt, dass ich in Baden-Baden persönlich aktiv bin und meine Kunden dorthin schicke. Ein ebensolches Dankeschön geht an die rührige Schiller-Buchhandlung in Stuttgart, die - ballettbegeistert genug - bereit war, das Risiko mit mir einzugehen.

Am traurigen Ende der Abrechnung finden sich zehn (!) Buchhandlungen und Buchversanddienste, die je ein einziges (!) Exemplar verkauft haben. Man kann davon ausgehen, dass das aufgrund einer Bestellung geschah und die Bücher nicht unbedingt im Laden auslagen.

Mein Fazit nach nur einem halben Jahr Laufzeit:
  • Im Sachbuch, bei Nischenliteratur kann man es tatsächlich erreichen, an Abverkaufszahlen zu kommen, die auch passende Verlage erreichen - ja, man kann sie sogar übertreffen. Und das ohne Unterstützung in Buchhandel und Medien! Schon allein deshalb ist für mich das Experiment Self Publishing eines, das ich nicht zum letzten Mal angepackt habe.
  • Den stationären Buchhandel, sofern man nicht über private Kontakte verfügt und den eigenen Vertreter spielt, kann man leider im Self Publishing als Partner getrost vergessen, wenn sich hier nicht einiges ändern sollte. So lange wird man leider den viel beschimpften "Giganten" wie Amazon in die Arme getrieben! Schade, dass sich viele Buchhandlungen dieses Geschäft entgehen lassen: Ich weiß von Lesern, dass sich manche Buchhandlungen geweigert haben, außerhalb von Buchkatalog bei Libri oder Umbreit zu bestellen, obwohl der Kunde definitiv das Buch kaufen wollte. Dafür habe ich kein Verständnis.
  • Amazon wird im Print überschätzt, vor allem, wenn es um bibliophile Ausgaben oder Literarisches geht.
  • Gute Leseproben werden massiv unterschätzt - übrigens auch von vielen Verlagen.
  • Die richtigen Rezensionen von Leserinnen und Lesern im Internet (und zwar nicht nur bei Amazon!), entsprechend vom Autor in den Social Media kommuniziert, laufen tatsächlich dem Feuilleton bereits den Rang ab (ich weiß zufällig, wie viele Exemplare ich bei Rezensionen in ZEIT oder FAZ mehr verkauft habe ... ).
  • Eigenmarketing ist auch für "Gelernte" eine Maloche beim ersten Buch, beim zweiten hat man aus den Fehlern hoffentlich gelernt. Dafür hat man im Self Publishing sehr viel mehr Zeit und Ruhe, weil man Longseller aufbauen kann. Das Buch "verfällt" nicht schon nach einem halben Jahr, man kann dann durchaus noch einmal aufdrehen. Es steht einem ja auch kein Buchhändler im Genick, der schnell remittieren will ...
  • Ich habe bisher - mit Ausnahme von Hanser - noch nie einen so direkten Draht zu meinem Publikum bekommen, so dass ich nun wirklich ein Gespür dafür habe, für wen ich eigentlich schreibe. Dank Social Media habe ich so viel Feedback und Austausch wie noch nie. Das führt nicht nur zu Verkäufen, sondern vor allem dazu, dass ich unwahrscheinlich viel lerne und jede Menge spannender Leute auch aus der Branche kennenlerne, die mich inspirieren und die mir Mut machen.
  • Die alte Theorie stimmt auch im Self Publishing: Bücher verkaufen sich durch Mundpropaganda und die wahren Vertreter eines Buchs sind begeisterte Leserinnen und Leser.
Nach diesem halben Jahr sage ich nur: Aber hoppla, jederzeit wieder! Das fängt jetzt richtig an, Spaß zu machen. Die Brötchen sind zwar noch klein, aber sie schmecken! Jetzt bin ich motiviert, mich noch mehr anzustrengen.

13 Kommentare:

  1. Freut mich, zu lesen! Mein Mann hat mir das Buch zu Weihnachten geschenkt und nun lege ich es sehr gern in meinen Seminaren und Workshops mit auf den Büchertisch zu all der Lektüre, die ich meinen Klienten gern ans Herz lege. Denn auch durch meinen eigenen Job weiss ich, wie wichtig die MundzuMund- Propaganda (wollte schon Beatmung sagen) ist.
    Ich wünsche dem Buch viele LeserInnen!

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  2. Liebe Petra, ich zweifle bestimmt nicht daran, dass begeisterte und qualifizierte Buchhändler sich als die besten Verbündeten bei Deinem "Selbstversuch" herausstellten. Auch dass Umbreit und Libri ganz hilfreich waren, will ich nicht in Abrede stellen - im Gegenteil. Doch sollte hier auch sehr zart darauf hingewiesen werden, dass Du mit deiner Vorgeschichte als Verlagsautorin bei so renommierten Häusern wie Hanser einen klaren "Wettbewerbsvorteil" vor irgendeinem Kollegen zu verbuchen hattest, der zwar - wie du und ich - durchaus weiss, was er mit seinem Text und Plot und Thema tut, aber auf eben jene "Vergangenheit" nicht verweisen kann.
    Dennoch: herzlichen Glückwunsch von mir für Deinen Erfolg.

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  3. Lieber David,
    ich weise immer wieder in meinem Blog darauf hin, dass man vielleicht doch zuerst mal einen Verlag suchen sollte, weil es sich damit später besser verkaufen lässt - das ohne Frage. Hilfreich sind auch andere schreibaffine Berufe wie z.B. Journalist. Man hat dann schon mal "bewiesen", dass man "schreiben kann". Den Lesern selbst ist das aber recht egal, da fragen viele eher: Hanser, was ist denn das? ;-)

    Die beiden Buchhändler haben mein Buch aber nicht unbedingt aufgenommen, weil ich auch für Verlage schreibe, die haben das vorher absolut kritisch beäugt und zuerst lesen wollen. Und sie haben es letztlich aufgenommen, weil sie die Kundschaft dazu haben (Baden-Baden mit den Russen und Stuttgart mit dem Ballett).

    Und nein, auch sie standen nicht an der Spitze. An der Spitze stehen in der Tat allein die Verkäufe übers Internet (bei den Libri- und Umbreitzahlen sind die stationären Buchhändler herausgerechnet). Self Publisher brauchen also alternative Distributionswege, wie du ja selbst erlebst.

    Liebe Petra, begeisterte Leserinnen wir du sind das Schönste, was es für Autorinnen und Autoren gibt! Ich weiß so etwas sehr zu schätzen und freue mich immer, wenn ich mich dann auch noch im Internet mit ihnen austauschen kann!

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  4. Das Post des Tages :-)

    Herzliche Gratulation.

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  5. Hach, da freue ich mich aber für dich!
    Allerdings hast du ja nicht nur in das Buch viel Arbeit gesteckt, sondern auch hier im Blog und bei Twitter dauernd Infos und Erlebnisse geschildert. Was das bei mir angerichtet hat, habe ich ja bereits an anderer Stelle geschrieben. ;-)

    Du hast es verdient!

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  6. Danke Alice!
    Ja, Marcel, wenn ich jemanden begeistern kann, der nie ein Buch angefasst hätte, das mit Ballett zu tun hat ;-), dann ist das eine besondere Ehre.

    Die (unbezahlte) Arbeit, die ich in dieses Projekt gesteckt habe, darf man natürlich nicht totschweigen, die war immens, zumal ich selbst erst vieles lernen / ausprobieren musste. Und natürlich hätten manche Fehler und Umwege nicht sein müssen, aber man lernt. Andererseits hätte ich die Arbeit in Sachen P auch bei einem kleineren Verlag gehabt. Da ich jedoch "brotberuflich" u.a. in der PR arbeite, hat es sich alles fabelhaft ergänzt und sogar neue Kunden eingebracht.

    Außerdem hat mir das Buch unwahrscheinlich spannende Türen geöffnet, die sich sonst nie geöffnet hätten. Ich hätte mir z.B. nie im Leben träumen lassen, dass es dem Dirigenten Valerij Gergiev überreicht würde. Mein neues Buchprojekt ist durch dieses Buch zustande gekommen. Und allein die menschlichen Begegnungen, die ich dadurch hatte, sind unbezahlbar. Insofern bin ich heilfroh, dass ich mir die Rechte zurückgeholt hatte und dieses "Lebensprojekt" selbst durchzog - es hat in der Tat mein Leben verändert.

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  7. Herzlichen Glückwunsch, das macht doch Mut!

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  8. Spannend, Petra, und herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Experiment! Dass Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert, zeigt sich auch bei mir: Ich habe mir deine Nijinski zum Geburtstag nächste Woche gewünscht, und mein Bruder kauft es sicher bei einem Frankfurter Buchhändler.

    Herzlichst
    Christa

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  9. Manno, jetzt habe ich Nijinsky doch wieder mit "i" am Ende geschrieben und ein "e" vergessen!:-)

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  10. Liebe Petra,
    wenn ich das Thema Ballett mit Schriftstellerei verknüpfen möchte, fällt mir für Sie der Begriff "Prima Belletrista" ein, der wenigstens einen Teil Ihres Schaffens beschreibt. ;)
    Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg!
    Gruß Heinrich

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  11. Nur nit übertreibe, lieber Heinrich! Und der Nijinsky schreibt sich wirklich ohne E, liebe Christa.

    @alle
    Da wir aber am Wortspielen sind, darf ich mal so richtig schlimm klugsch... ?
    Die Sache mit der Mund-zu-Mund-Beatmung funktioniert bei toten Büchern nicht. Bei denen reicht einfache Propaganda. Deshalb kriegt die den Mund nur einmal voll: Mundpropaganda.
    Und keine Sorge, ich mach das auch immer wieder falsch und habe es von einem anderen Klugsch... erst sehr kürzlich gelernt. ;-)
    Schöne Grüße, Petra

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  12. Ich bin immer wieder, ja, fast schon.. schockiert, wie unflexibel Buchhändler reagieren, mit was für einem Standesdünkel.. mit was für einer Angst. Sie scheinen nicht zu wissen: es wird sie in zehn Jahren alle nicht mehr geben. Gut so.

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  13. Reden wir in elf Jahren mal drüber, Florian Voß ;-) - ich halte nichts von radikalen Untergangsprophezeiungen. Ich kenne ein paar Buchhändler, die ihre Sache ganz gut machen und mit der Zeit gehen - und denen geht's auch entsprechend gut.
    Ich hab mir von einem Buchhändler allerdings auch sagen lassen, dass zwei verkaufte Exemplare in einem Laden von einem solchen "Nischenbuch" viel seien - die Masse geht eben mit Massenware.

    Was man auch nicht vergessen darf: Print-on-Demand kann nicht remittiert werden und je nach Direktvertrieb ist es ein riesiger Aufwand beim Buchhändler. Und das rechnet sich einfach nicht vom Risiko her. Da müssen einfach auch ein paar Strukturen anderswo neu wachsen.

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