Höher, schneller, weiter

Alles wächst. Nein, muss wachsen. Wenn etwas nicht wie im Vorjahr 30% zulegt, reden manche von Nullwachstum oder gar Verlusten. Nur die Natur lahmt vor sich hin, erlaubt sich bei Hitzewellen Dürre und in der kalten Jahreszeit eine Winterpause. Manche Lebewesen gehen sogar deshalb so frisch in die nächste Saison, weil sie in Winterstarre verfallen. So eine Winterstarre hat etwas für sich: stark verminderte organische Funktionen, kein Handy, kaum Temperatur, kein Facebook und keine anderen Lebewesen, die ständig etwas von einem wollen. Am besten gestern schon und nachts und überhaupt ...

René Kohl hat in seinem Blog ein Tierchen aufgespießt, das im Winter noch höher dreht als andere und immer größer wird. Eigentlich ist es längst ein gigantisches Monstrum. Er zeigt anhand gut recherchierten Zahlenmaterials, wie sich Amazon in den letzten Jahren entwickelt und wie es unsere Biotope durch die Großinvasion verändert hat. Wie groß aber kann so ein Händlerkrake werden, bevor er platzt? Und was kann man nur ab einer bestimmten Größe erreichen? In "Amazon: die rote Linie" spart er auch eine weniger bequeme Frage nicht aus: "Wann haben wir eigentlich aufgehört, große Unternehmen kritisch zu beäugen?"

Kein Nullwachstum habe ich leider inzwischen in meiner Mailbox. Social Media sind ja nett und sinnvoll, aber der Mensch, der noch kein Krake ist mit einem Pool an Privatsekretären, schafft nur ein bestimmtes Kontingent an Kommunikation. Bisher habe ich versucht, jede Leseranfrage zu beantworten. Inzwischen bekomme ich auch für meine Blogs Zuschriften; Feedback, das man nicht in Kommentare geben will, Anfragen, ob ich etwas Externes in meinem Blog bearbeiten könne etc. Ich versuche weiterhin, ernsthafte Leseranfragen zu beantworten. Aber ich brauche einen Schuldenschnitt. Ab sofort erlasse ich mir Mailschulden. Es geht nicht mehr anders. Kommentare kann man so abfassen, dass sie ins Blog passen. Dort kommuniziere ich schneller in der Kaffeepause, als dass ich eine Mail schreibe. Themenhinweise sind schön, aber ich habe keine Redaktion, die das leisten kann, ich werde für meine Arbeit hier nicht bezahlt - sie muss also schnell gehen. Meist handelt es sich obendrein um Anfragen zu PR für andere - warum sollte ich unentgeltlich diese Arbeit für andere in meinem privaten Blog machen, nur weil die keinen eigenen Blog betreiben und nicht bei FB oder Twitter sein wollen? Von denen, die mir Geld bieten, dass ich ihre Firma öfter erwähne, möchte ich gar nicht reden - igitt, pfui Teufel.

Ganz klar und deutlich: Ja, ich kommuniziere auch für andere, ich schreibe Texte für andere und ich helfe gern, ein professionelles Social Media Account zu betreiben. Das ist Teil meines Berufes. Und deshalb wird diese Arbeit fein säuberlich von all meinen Privat- und Autorenveranstaltungen getrennt und vom Kunden bezahlt. Sie erscheint grundsätzlich unter Kundennamen in dessen Medien. Sollten Sie mir also wieder einmal anbieten, ich möge endlich einen Artikel über die besten Ratzfatzzahnbürsten der Welt schreiben, schicke ich Ihnen gern einen Kostenvoranschlag. Gemeinsam überlegen wir dann, wo wir diesen PR-Artikel in Ihrem eigenen Umfeld platzieren. Ganz bestimmt nicht in meinem Blog. Ihre Firma hat für gutes Geld zielgerichtetere PR verdient!

Was war da noch? Ach ja, die Winterstarre. Zeit für eine Strategie, nicht mehr ungeregelt zu wachsen und irgendwann womöglich zu platzen. Mit den Kräften haushalten. Prioritäten in der Kommunikation setzen. Nicht die Falschen vergessen, nur weil die anderen lauter und öfter brüllen und um Aufmerksamkeit heischen.
Leben.

Vor allem aber agieren statt re-agieren. Das Heft wieder selbst in die Hand nehmen. Schluss mit dem Getriebensein von diesem "das muss noch und jenes muss noch". Mein alter Lateinlehrer hatte immer den Spruch drauf: "Der Mensch muss nur zwei Dinge wirklich: aufs Klo und sterben." Stimmt. Und es ist so wunderschön, einen Tag mit scheinbar (!) sinnlosen Dingen zu vertun. Endlich wieder einmal ein Buch lesen, das zu nichts anderem führt als zum Spaßvergnügen. Endlich einmal wieder einen Text schreiben, den keiner bestellt hat und der nicht in einem Buch landen soll. Womöglich sogar faulenzen.

So ist die Stimmung, bevor der Vogesenwinter kommt und sich die bequemen Freunde aus deutschen Landen nicht mehr auf die Straßen wagen (das aber von uns erwarten). Noch einen Monat lang schwirren wir wie verrückt umher und nehmen alle Chancen wahr, zu denen man sich später bei Eis und Schnee so leicht nicht mehr aufraffen mag. Es ist ein Monat der Hyperaktivität, des wilden Herumfahrens, bevor die Winterstarre kommt. Man genießt danach die langen Tage, die Ruhe, die Zurückgezogenheit und die herrlichen Feiern mit den winterharten Freunden. Für die man auch mal im Schneesturm nachts über den Hügel steigt, zu Fuß und mit der Taschenlampe. An den Häusern werden die letzten Löcher abgedichtet, die Kellerfenster abgedeckt. Man bunkert Vorräte für die paar Tage im Jahr, an denen man die eigene Straße nicht mehr herauf oder herunter kommt. Eine neue Taschenlampe muss her. Sind die Gummistiefel noch dicht?

Es ist eine aufregende Zeit, von der man im Winter zehrt, bis wie bei allen "Bergleuten" etwa Anfang Februar mit schöner Regelmäßigkeit der Winterkoller kommt. Dieses Zugvogelziehen in den Zehen, das einen auf Birkenlichtungen treibt und von italienischer Sonne träumen lässt. Noch ist das fern. Morgen werde ich eine der "So-lange-es-noch-geht-Fahrten" machen, bei frühlingshaften Temperaturen und mit dem Fotoapparat. Ich will einer Nase nachlaufen, einer berühmten Nase, die ich an seltsamen Orten zu sichten geglaubt habe. Wenn ich sie finde, zeige ich die Aufnahmen, versprochen!

Die Nase läuft!

2 Kommentare:

  1. Hat mir mal wieder sehr gut gefallen, was du schreibst, Petra!
    Und auf die Nase, die du suchst und fotografieren willst, bin ich schon gespannt!

    Herzlichst
    Christa

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  2. Sie läuft, liebe Christa, auf dem roten Sofa zwischen den Stühlen, Link rechts beim Blogticker.
    Herzlichst, Petra

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