Schmalz und Schweiß

Was für ein Glück, dass ich eine so verständnisvolle Chefin habe! Ich habe teuflisch verschlafen. Aus einem so schmalzigen Traum wie dem meinen wacht man freiwillig nämlich nicht auf: Ich traf zufällig in einem gewissen alten Grandhotel in der Jetztzeit Anton Tschechow und trank Tee mit ihm. Am Klavier klimperte ein junger Typ namens Strawinsky irgendeine Ballettmusik, der Samowar blubberte und ich war vollkommen aus dem Häuschen, als ich dem Herrn gegenüber erzählte, wenn er das nächste Mal wieder in der Stadt sei, sei auch mein Nijinsky-Buch wohl fertig gedruckt. Der zarte Kuss, den ich dafür auf die Nasenspitze bekam, stammte leider von meinem Hund, der nach seiner Frühstücksration quengelte...

Die Realität ist natürlich rauer als die Traumhybris. Gestern habe ich mir einen Wolf lektoriert und recherchiert.Wegen eines einzigen winzigen Satzes musste ich herausfinden, ob ein gewisser Mensch wirklich den Psychiater Nijinskys persönlich kannte. Suche einmal einer das Facebook von 1919! Einen ganzen Tag habe ich für die Verifizierung gebraucht.

Aber nun ist das Schlimmste geschafft. In der nächsten Woche werde ich daran gehen, "Vorabfahnen" (vor dem Satz) noch einmal zu korrigieren. Außerdem wird der künftige Hersteller kontaktiert und Kassensturz gemacht. Madame goes shopping: Fotorechte. Die Recherche danach war sehr aufwändig, erschwert dadurch, dass im Internet das Urheberrecht inzwischen derart oft gebrochen wird, dass man nur schwer herausfindet, wo historische Fotos legal zu erwerben sind und ob das Urheberrecht tatsächlich schon abgelaufen ist (Nijinsky-Fotos liegen im Grenzbereich). Bei Wikipedia ist es besonders abenteuerlich... Ich werde also im Buch auch nur diejenigen Fotos abdrucken, die im Netz zu Hunderten einfach so kopiert werden - aber ich werde es legal tun.

Nachdem ich die Fotos ausfindig gemacht hatte, hieß es, international Preise und Verträge zu vergleichen - Fotoabzüge sind ja um die Welt verteilt. Die Preise für Abdruckrechte differieren immens, manchmal um mehrere hundert Euro fürs gleiche Bild. Deutschland gab ein besonders klägliches Bild ab, dort sind ordentliche Datenbanken zur Suche für Privatpersonen völlig verschlossen - und teuer. Frankreich punktet mit hochkomplizierten Abläufen, unmöglichen Verträgen und einer immensen Ruhe der Beteiligten. Die Mail-Nachfrage bei einem großen Museum wurde immerhin nach zwei Monaten damit beantwortet, dass man mich an eine andere Stelle verwies. So macht man keine Geschäfte. Das Geschäft wird aber wohl die Bibliotheque National machen, und dann wären in der engeren Auswahl noch die Library of Congress, die New York Library mit ihrer Dance Collection und das Victoria & Albert Museum - allesamt bestens organisiert, offen zu durchsuchen, bezahlbar und in den Abläufen unkompliziert.

Das muss man übrigens feststellen: Die größte Investition bei einem bebilderten Sachbuch stellen Bildrechte und Grafik dar. Aufwändig bebilderte Sachbücher sind privat fast nicht zu machen, es sei denn, man schreibt etwas, das der Wissenschaft oder Bildung dient - denn dafür gibt es im amerikanisch-angelsächsischen Raum Sonderpreise.

Während ich heute weiter lektoriere, prüft mein Hinterkopf bereits Layout-Ideen, denn es wartet ja noch der Satz. Während meiner Bettlektüre schweife ich immer wieder ab und stelle mir Buchcover vor, bastle sie im Geiste immer wieder um, prüfe Farben, Schriften, Aufteilung. Ich habe beschlossen, dass ich dieses eine Mal den Versuch eines Entwurfs selbst wage, denn ich will es ganz edel - d.h. sehr schlicht. Kein Wunder träume ich anschließend von solch komischen Teepartys...

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