Vom Träumen zum Netzwerken

Zwischendurch bin ich mal ein bißchen aufgeregt. Irgendwann demnächst kommt woanders ein Interview mit mir (das hier natürlich verlinkt werden wird), in dem ich mich an die 1980er erinnert habe. Damals, als frischgebackene Journalistin, bastelte ich mit "Ventura Publisher" (sozusagen dem Uraltvorgänger von "InDesign") eine kleine Bücherzeitschrift, ein Fanzine. Und weil die Computertechnik damals noch in den Kinderschuhen stak, druckte ich das Ganze auf einem Nadeldrucker aus, zeichnete Illustrationen per Hand, klebte Titel mit Letraset und montierte das Blatt dann im Copyshop. Damals wünschte ich mir plötzlichen Reichtum, um eine echte Zeitschrift gründen zu können.

Das Geld blieb leider aus, Fanzines nennt man jetzt manchmal Blog, und ganz im Gegensatz zu "InDesign" kann man sich diese einfache Technik auch leisten. Ich muss von der eigenen Zeitschrift nicht mehr träumen (obwohl ich davon träumen könnte, eine Redaktion einzustellen und zu bezahlen). Ich kann sogar wie bei einer echten Zeitschrift "Specials" schalten. Es ist witzig: Wie als "echte" Journalistin (warum hat man selbst diese Schere im Kopf zwischen Print und Blog?) arbeite ich längst fleißig im Hintergrund, führe Interviews, erstelle Themenlisten, plane das Timing, die inneren Bezüge, kürze Texte von anderen. Und habe Bammel. Werde ich überhaupt eine ganze Woche mit Frauenthemen (auch für Männer) aus der Buchbranche füllen können?

Ist da auch nichts dabei, was schon abgenudelt klingt? Kann ich spezielle Bücher empfehlen? Wo kann man den Blickwinkel verändern, welches Thema neu aufarbeiten? Schließlich wird bei der Blogger-Zeitschrift lange Recherche oder gar Investigatives nicht bezahlt - das Material ist also nicht absolut neu. Auf der anderen Seite gibt es auch nichts, worüber nicht schon geschrieben worden wäre. Die Profis greifen auch nacheinander Themen auf, die in der Luft liegen. Selbst Brigitte bäckt jetzt neben den Diäten plötzlich auch Brötchen für die Frauen. Was aber kann ich bei einem solchen Special im Alleingang bieten?

Ich gestehe: Ich bin nicht allein. Eine solche Arbeit kann ich nur leisten, wenn auch andere mitmachen. Für wirklich journalistische Beiträge brauche ich Interviewpartnerinnen, Informationen von anderen. Ich bin freudig überrascht, wie unkompliziert und sympathisch heutzutage solche Kontakte zustande kommen. Und ich verrate vorab sicher nicht zuviel, wenn ich sage, dass sich die BücherFrauen nicht nur bereitwillig von mir in meiner Neugier ausquetschen ließen. Sie helfen mir sogar bei einem technischen Problem, wo Blogger an seine Grenzen der Machbarkeit kommt. Deshalb haben sie es auch reichlich verdient, dass ich sie nenne. Zumal ich inzwischen ernsthaft darüber nachdenke, ob ich nicht selbst eine "BücherFrau" werden möchte. Ich bin ja eine olle Netzwerkerin.

Deshalb bin ich ziemlich entsetzt gewesen, wie abwertend im Web auf ganz normales und selbstverständliches Netzwerken manchmal reagiert wird. (Ganz nebenbei: Es sind meist die Kollegen, die so etwas schlecht reden, oft geschieht es gerade in sogenannten Autorenforen - man darf sich fragen, warum.) Da haben sich beispielsweise ein paar Kinder- und Jugendbuch-Autorinnen zusammengetan, um das Genre ein wenig aus dem Schattendasein herauszureißen. Anstatt sich als Konkurrentinnen zu betrachten, wie das bei Autorinnen leider oft der Fall ist, unterstützen sie sich und ihre Bücher gegenseitig. Irgendwo im Kleinen muss man ja anfangen. Und dann ernten sie auf ein einfaches Interview hin indirekt den Vorwurf der Vetterleswirtschaft - und es entspinnt sich eine heiße Diskussion. Mir völlig unverständlich.

Ich selbst könnte ohne solche Netzwerke überhaupt nicht (über)leben. Natürlich empfehle ich die Kommunikationsagentur, mit der ich selbst arbeite, wenn mich jemand fragt. Weil ich deren Arbeitsweise kenne, für gut befinde. Meine französische Kollegin empfiehlt mich weiter, weil sie wiederum meine Arbeitsweise kennt und abschätzen kann, wo ich passe. Und wenn ich jemanden zum Herstellen einer App oder für Schilder im Wald bräuchte, dann wüsste ich, wo ich nachfrage: dank eines persönlichen Netzwerkes. Wir nennen Namen und wir sagen offen, warum wir die Kollegen gut finden: weil wir ihre Arbeit schätzen und weil wir gern mit ihnen arbeiten. Ähnlich baut man sich das im Idealfall auch unter BuchautorInnen auf - in vielen Ländern ist solche Zusammenarbeit sogar sehr viel enger und weiter gediehen als im deutschsprachigen Raum.

Wir verlieren über dem Netzwerken nicht den Kopf und schon gar nicht die Kritikfähigkeit. Wenn mich jemand nach einem Grafiker für Buchcover fragt, werde ich ihm nicht den Grafiker empfehlen, der sich auf Kuchengrafiken für die Holzwirtschaft spezialisiert hat. Trotzdem kann ich die Kuchengrafiken bestechend schön finden.

Ich würde mir wünschen, dass Netzwerken in modernen Zeiten nicht mehr als anrüchig verdammt, sondern als das gesehen wird, was es auch vor der Erfindung des Internet schon war: ein soziales Miteinander, in dem es zwar Konkurrenz geben kann, aber der Gedanke des Miteinander-Teilens eine größere Rolle spielt. Vetterleswirtschaft blüht im Geheimen, in absolut geschlossenen Gesellschaften, beim Verschieben von Geldwerten und Jobs - nie offen und schon gar nicht mit Namensnennungen. Diesen Unterschied zum Netzwerkgedanken haben einige Kritiker offensichtlich immer noch nicht verstanden.

Wenn ich also nächste Woche über die BücherFrauen berichten werde, so sei versichert: Ich habe dafür kein Schmiergeld bekommen. Im Gegenteil, ich müsste als Mitglied sogar einen Mitgliedsbeitrag dalassen. Ich war es, die etwas von ihnen wollte. Und dabei bin ich auf so viel Unterstützung gestoßen, dass ich wieder an Netzwerken glaube. Auch und gerade in einem Beruf, in dem es von Neidern und Miesmachern und Eifersüchtigen nur so wimmeln soll, wie man immer wieder behauptet.

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