Die Angst der Torfrau...

...beim Elfmeter.

Heute fühlte ich ein Momentchen lang Panik. Alles, was ich in meinem langen Leben bisher gelernt hatte, schien sich plötzlich in Luft aufzulösen. Heute bin ich von "Beruf" Lektorin und sitze über meinem Nijinsky-Projekt. Obwohl der Text von mir zigfach fast druckreif korrigiert wurde, obwohl ihn eine Verlegerin lektoriert hat und ein Fachjournalist obendrein, obwohl ich nachkorrigiert habe: Ich finde immer noch Tippfehler! Und ich will jetzt nicht den dummen, aber wahren Spruch hören, dass ich genau in dem Moment, in dem ich das gedruckte Buch aufschlagen werde, sofort den ersten Drcukfehler Druckfehler entdecken werde.

Dann stelle ich fest, dass ich die Fremdtexte nicht am Bildschirm korrigieren kann - ich übersehe zu viel. Ich verliere langsam am Bildschirm das Vorstellungsvermögen vom gesamten Buchaufbau. Mir fehlt die dreidimensionale Komponente, aber genau im richtigen Augenblick ist die Druckerpatrone leer. Wann sonst. Plötzlich entdecke ich, dass irgendein Microsoft-Wunder eine gentechnische Kreuzung aus Endnoten und Bibliografie gebastelt hat und dabei auch noch alles verdoppelt. Man sollte zunächst im .rtf arbeiten, weiß ich. Aber der Text war ursprünglich ja zum Hören, der Anhang fürs Leaflet. Handumbau. Datenbereinigung. Fluchen.

Beim Redigieren der neuen Texte in ihrer spezifischen Form stellen sich mir die Haare auf: Ich kann wetten, dass es hier Hurenkinder und Schusterjungen hagelt. Ich spüre die Stellen regelrecht im kleinen Finger - aber ich werde warten müssen, bis das Buchformat feststeht. Und dann kürzen und aufblasen, einpassen - und wieder korrigieren. Mehrfach korrigieren. Bis zur Fahnenkorrektur ist es dann noch weit. All die Arbeit, die ich als Autorin sonst verschlafe, darf ich nun selbst tun. Auch das Korrigieren auf Mehrfachleerstellen, falsche Zwischenräume oder falsch gesetzte Schriften. Ich habe es ja so gewollt und nicht anders. Ich träume von einem Team, das um meinen Schreibtisch sitzt. Ich träume vom privaten Assistenten, der sich schnell mal zwanzig Kilometer aufschwingt, um an eine neue Druckerpatrone zu kommen. Und habe plötzlich Panik, dass diese Datei nie ein Buch werden wird. Der Weg ist noch so unendlich weit...

Dann geraten mir zufällig drei Interviews mit Verlegerinnen in die Hände, deren Bücher ich sehr schätze. Faszinierend, wie mutig und in Teilen auch blauäugig sich diese Frauen beim ersten Buch ins kalte Wasser gestürzt haben. Schon ist die Welt wieder zurechtgerückt, die anfängliche Panik schwindet. Als eine, die redigieren gelernt hat, sollte ich es ja wohl noch schaffen, einen Text druckreif zu korrigieren!

Die Entstehung von Büchern hat etwas von Ballett an sich. Manchmal sitzt man am Boden, heult und reibt sich verzweifelt den schmerzenden Zeh. Dabei fühlt man die Faszination und Schönheit des Tanzes erst, wenn man wieder aufsteht.

2 Kommentare:

  1. Ja, diese Erfahrungen musste ich auch machen. Und natürlich ist es mit jedem Buch ein wenig einfacher, trotzdem bleibt im Hinterkopf ein kleine wenig dieses hysterische Flüstern, man könnte einen katastrophalen Fehler übersehen oder beim Korrigieren einarbeiten.

    Am Ende würde ich sagen, dass nie so heiß gegessen wie gekocht wird. Gottlob.

    Richard

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  2. Ich kann mich ja damit trösten, dass in JEDEM Buch irgendein katastrophaler Fehler übersehen wird - die Leser das aber in den meisten Fällen gar nicht merken. Kein Witz - jedesmal wenn ich meine Leseexemplare von den Verlagen bekomme, schlage ich das Buch auf und entdecke sofort den Fehler, den zig Leute in der Herstellung übersehen haben.

    Aber das entbindet unsereins ja nicht von der Sorgfalt...

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