Ärger in eigener Sache

Es gibt einige, die bedauern, dass so viele meiner Bücher nicht mehr zu haben seien. Aber während es mit Büchern, die mir selbst am Herzen liegen (Elsass), mit rechten Dingen zugeht und nur etwas Zeit braucht, sie wieder zugänglich zu machen, hat mich eine andere Sache kalt von hinten erwischt. (Das Elsass-Hörbuch ist noch zu haben!)

Der frühere Lübbe-Verlag mit dem Imprint BLT, bei dem meine Romane erschienen, und dem Imprint Ehrenwirt, für das ich Auftragsbücher schrieb, hat sich vor einiger Zeit vollkommen umstrukturiert und nennt sich seither Bastei-Lübbe. Was die wenigsten LeserInnen wissen: Auch bei rein internen Umstrukturierungen können ganze Programme oder Bücher auf der Strecke bleiben. Das ist dann in etwa wie bei Fusionen oder Verkäufen von Verlagen auch: Die neuen Entscheider wollen nicht alle Bücher der alten Ära mitnehmen. Bei der üblichen Halbwertszeit in Publikumsverlagen erwischt das ein Taschenbuch natürlich noch schneller als ein Hardcover bei Verlagen mit starker Backlist.

Meine Bücher hat es fast alle erwischt (die anderer Autoren natürlich auch), sie passen ganz offensichtlich nicht mehr ins neue Konzept und sind wohl auch schon viel zu alt. Da ich außerdem schon länger nicht mehr für den Verlag arbeite, dürfte die Entscheidung leicht gefallen sein. Einerseits freue ich mich, dass sie über Jahre gelaufen sind - das ist ganz und gar nicht selbstverständlich für Taschenbücher einer unbekannten Autorin, die einfach so "auf den Markt gekippt" werden. Andererseits bin ich verärgert, dass ich von der Aktion durch meine Leser und Zufall erfahren musste, als sie längst gelaufen war. Ich bekam weder die vorgeschriebene Mitteilung noch die Gelegenheit, Restexemplare für mich zu kaufen. So viel zur Autorenpflege.

Was bedeutet das jetzt? Zum Glück liegen mir diese Bücher nicht ganz so am Herzen, aus Selbstschutz, denn es wird wieder unnötige Zeit ins Land gehen, bis die betreffenden Briefe geschrieben sind und die Rechte endlich wieder an mich zurückfallen. So lange kann ich über mein geistiges Eigentum leider nicht verfügen. Die Bücher sind also erst einmal "tot". Erst danach kann ich konkret darüber nachdenken, welches ich der Nachwelt erhalten wollte und in welcher Form.

Es klingt vielleicht bitter, aber so langsam macht mir dieses System keinen Spaß mehr. Wenn ich heutzutage bereits bei der Unterschrift unter einen endlich ergatterten Vertrag darum beten muss, dass der betreffende Verlag noch möglichst lange in seiner Form überleben wird, dann wird das immer mehr zu einem Risikospiel, das mit Inhalten und Können absolut nichts mehr zu tun hat. Ein Spiel, das es in anderen Ländern übrigens nicht gibt, weil dort Autoren ihre Rechte behalten können.

Inzwischen sind von mir neun Bücher erschienen, mit Lizenzen vierzehn. Davon ist nur ein einziges Buch auf normalem Wege vom Markt verschwunden, weil eine Reihe nicht mehr weitergeführt wird. Ein Buch hat einen Verlagsverkauf überlebt und ist vom neuen Eigner in die Backlist übernommen worden. Fünf Bücher jedoch verschwanden vom Markt nur deshalb, weil die betreffenden Verlage entweder fusionierten oder verkauft oder umstrukturiert wurden. Fünf von neun Büchern wurden nicht Opfer ihrer Inhalte, sondern Opfer rein firmentechnischer Entscheidungen. Davon hält übrigens mein erstes, ursprünglich sehr erfolgreiches Buch einen traurigen Rekord: Ich bekam meine Rechte nach fast zehn Jahren (!) und einem elenden Schriftverkehr endlich vom dritten (!) Verlagskäufer zurück.

Ich bin kein Einzelfall und ich habe enormes Glück. Viele Kolleginnen und Kollegen mussten sich mit Insolvenzverwaltern um Honorare streiten oder mit Anwälten mühsam recherchieren, auf wen denn nun ihre Rechte übergegangen waren. Manche hat das sehr zermürbt. Mir ist das zum Glück immer erst passiert, wenn ein Buch schon eine Weile am Markt war. Wenn ich aber die Rechnung aufmache, wie lange ich dafür hart gearbeitet habe - und welchen Preis man für das Schreiben persönlich zahlt, dann habe ich das Gefühl, dass irgendetwas im Getriebe knirscht. Es macht mich traurig. Und immer vorsichtiger.

Über eines bin ich jedoch froh: Dieser Zustand von "toten" Büchern war einmal. Dank neuer Techniken kann ich mein hoffentlich bald anbrechendes "Sabbatsemester" nicht nur für den Nijinsky verwenden, sondern mir außerdem einen Plan für eine ganz persönliche Backlist erstellen (natürlich müssen erst die Rechte an mich zurückgegeben sein). Welche Bücher will ich wieder ins Leben bringen und in welcher Form? Was könnte die LeserInnen noch interessieren von diesen "alten Schinken"? Oder sollte man ältere Bücher wirklich radikal sterben lassen? Es ist schön, dass es diese Möglichkeit der Entscheidung inzwischen gibt. Aber es ist ein sehr seltsames Gefühl, dass ich damit eigentlich längst selbst zum Verlag mutiert bin.
Die nächste Unterschrift unter einen Vertrag, die in Sicht sein könnte, wird mir jedenfalls nicht mehr leicht und freudig von der Hand gehen.

Immerhin hat das Ganze auch einen Aspekt zum Lachen: Ausgerechnet meine beiden Zitatesammlungen, die ich unter dem Pseudonym Viola Beer sozusagen beim Frühstück zusammengekleistert habe, laufen immer noch. Aber die Zitate sind ja auch nicht von mir...

3 Kommentare:

  1. Ja,da kann ich nur grimmig-traurig grinsen, wenn ich das so lese ...ich selbst muss mich auch völlig neu orientieren und organisieren. Aber vergiss nicht:
    das Schreiben an sich bleibt, es ist geschehen, auch wenn die Verhältnisse das oft nicht zulassen und es erschweren!

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Christa,
    ich muss gestehen, so stark bin ich nicht immer. Ich war aufgrund solcher unbeeinflussbarer Umstände schon mehrmals wirklich so weit, alles aufzugeben - und einmal so weit, dadurch gar nicht mehr schreiben zu können. Ich war völlig blockiert (zum Glück hat das keiner gemerkt außer mir).

    Dumm nur, dass ich nichts anderes gelernt habe als Schreibberufe. ;-)
    Insofern greift dann wieder die gesunde Wut, die bei mir spätestens am nächsten Tag in wilde Kreativität umschlägt.

    Trotzdem mache ich mir immer öfter grundsätzliche Gedanken. Und die tendieren immer öfter dahin, dass für mich die Direktbindung an Leserinnen und Leser immer wichtiger wird. Für die will ich arbeiten und mein Bestes geben, nicht für die Schublade, nicht für den Mülleimer und auch nicht für irgendwelche Controller.

    Herzlichst,
    Petra

    AntwortenLöschen
  3. "Ich war aufgrund solcher unbeeinflussbarer Umstände schon mehrmals wirklich so weit, alles aufzugeben - und einmal so weit, dadurch gar nicht mehr schreiben zu können. Ich war völlig blockiert (zum Glück hat das keiner gemerkt außer mir)."

    So weit war ich auch schon öfter, selbst in der Anfangsphase. Geholfen haben mir nicht nur reale, sondern auch virtuelle Ermutigungen.

    "Und die tendieren immer öfter dahin, dass für mich die Direktbindung an Leserinnen und Leser immer wichtiger wird. Für die will ich arbeiten und mein Bestes geben, nicht für die Schublade, nicht für den Mülleimer und auch nicht für irgendwelche Controller."

    Na, mich hast du ja schon gebunden, nicht zuletzt durch deine Beiträge damals im Forum:-) Zwei Bücher habe ich schon gelesen, und aufs Elsassbuch freue ich mich nach wie vor.

    Herzlichst
    Christa

    AntwortenLöschen

Deine Sicherheit:
Mit restriktiven Browsereinstellungen kannst du nur als "Anonym" und mit "Namen / URL" kommentieren. Möchtest du dein Google-Profil verwenden, musst du aktiv im Browser unter "Cookies von Drittanbietern" diejenigen zulassen, die nicht zur Aktivitätenverfolgung benutzt werden. Nur so kann das System dein Profil nach Einloggen erkennen.

Mit der Nutzung dieses Formulars erkläre ich mich mit der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten durch Google einverstanden (Infos Datenschutz oben im Menu).
(Du kannst selbstverständlich anonym kommentieren, dann aber aus technischen Gründen kein Kommentarabo per Mail bekommen!)

Spam und gegen die Netiquette verstoßende Beiträge werden nicht freigeschaltet.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Powered by Blogger.