Absage, flugerprobt

Endlich liegt sie vor mir, die Absage (anderes hätten meine Endorphine im Moment auch gar nicht verkraftet). Es war das erste, vielleicht einzige und letzte Stipendium, um das sich eine Autorin bewerben darf, die mein fortgeschrittenes Alter hat, meinen unordentlichen Wohnsitz im Ausland (Schreiben in der Emigration gilt nicht), Unterhaltungsbücher auf dem Kerbholz und die bockige Einstellung, lieber die laufenden Kosten fürs hiesige Wohnen brav zu bezahlen, als sich mit Hund in zum künstlerischen Behufe umgestaltete ehemalige Klohäuschen und im letzten Moment gerettete Abrissprojekte zurückzuziehen, während daheim womöglich die Bude ausgeräubert wird.

Der winzige Packen Papier kam per Post, Spuren von Büroklammern aller Größen und Qualitäten zeigen, dass er in der Tat von Hand zu Hand weitergereicht wurde und jeder sein eigenes System an literarischer Umklammerung bevorzugt. Besonders gefallen hat mir der Querdenker, der unten mittig, aber leider verschämt winzig klammerte. Was mag in dem Menschen vorgegangen sein, der mit Wucht eine offensichtlich plastikverkleidete (giftgrüne?) Riesenbüroklammer über die Spuren seiner Vor-Leser hämmerte? Das war bestimmt der Mensch, der auf der Rückseite den Fettfleck hinterlassen hat. Und wie einige nur bis Seite 2 kam.

Apropos Fettfleck. Im Zeitalter ökologischer Bilanzen darf man als Autor immer noch nicht um eine gefällige Entsorgung im nächsten Altpapiereimer bitten. Obwohl keiner auf den Unterlagen irgendwelche erhellenden Notizen hinterlässt, die eine Rücksendung nötig machten. Der Packen nimmt stattdessen zuerst Auto oder Zug, verursacht am Flughafen eine größere Logistikanstrengung, fliegt im Nachtflug nach Strasbourg-Entzheim, wird dort wieder in den LKW entladen, zurück in den Norden gefahren, mit dem Moped verteilt...

Die ebenfalls nicht erhellende Absage, gesagt wird ja grundsätzlich nichts, hätte mir persönlich per Mail gereicht. Oder per "eco"-Brief, direkter Bahntransport über eine viel kürzere Strecke, als 20-g-Brief zu viel günstigerem Porto. Mit diesen gesparten Geldern allüberall bei allen papierenen Manuskriptrücksendungen würde ich ein neues Stipendium einrichten. Aber was träume ich! Das flugerprobte Papier landet eben in der französischen Altpapiertonne. Und fährt dann im Müllauto wahrscheinlich wieder nach Strasbourg zurück - zur Aufbereitung. Irgendwann werde ich ein neues Buch auf Papier ausdrucken, das einmal mein eigener Romanentwurf war.

Und jetzt? Jetzt freue ich mich.
Weiter Leben ohne Netz und doppelten Boden. Frei sein. Ich könnte mit dem Romanbeginn machen, was eben den Bewerbungsunterlagen geschehen ist: Ich könnte ihn in die Tonne treten. Ich könnte ihn durch Gänseschmalz und Kaffee ziehen, anzünden und anschließend ertränken. Oder einfach weiterschreiben. Ohne Rücksichten. Ohne Anpassungen. Ohne die zu irgendwem passende Attitude. Klammerfrei.

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