weggeklickt

Manchmal scheint morgens die Sonne und der Tag ist trotzdem restlos versaut. Auf der Suche nach Frühstück stellte ich fest: Mein Lieblingsbäcker hatte dicht gemacht, der mit Handarbeit, Tradition und Biomehl. Sein Holzofenbrot hat einfach die Quote nicht rausgehauen, die er gegen die Fertigpizza der Bäckerkette gebraucht hätte. Und als ich zur Erdbeermarmelade greifen wollte, verkündete mir ein Schild am Regal, Sauerkirschgelee sei zum Brummer des Jahres gewählt worden, ich möge doch bitte meinen Geschmack umstellen. Wie lange würde es dauern, mit Hilfe der Verbraucherzentrale Hunderttausende von gefälschten Klicks vom Verband der Sauerkirschzüchter nachweisen zu können? Ich hatte es eilig und griff ins Trendregal auf Augenhöhe: Nutella auf Tilsiter. Ich spülte das Zeug mit Todesverachtung und einem Rest Nischen-Espresso aus der Onlinebörse der Zu-Spät-Gekommenen hinunter. Wer für diesen Gaumenschmaus was für ein Skript gebastelt hatte, wollte ich besser nicht wissen.

Dann rief irgendein Verlag an. Ich sollte doch endlich mal was dafür tun, zugriffiger zu werden. Oder meinte der Mann zugegriffener? Mehr Klicks, mehr Bücher, gute Autorin! Ich hörte mir seine Vorschläge an. Vielleicht könne ich meinen rothaarigen Hamster mit Sascha Lobo verloben? Man könne sogar meine Buchtitel ändern: Statt "Stechapfel und Belladonna" vielleicht "Lobotomie an HappySchnitzel"?

Im Moment sei ich intellektuell attraktiv wie Erdbeermarmelade, eine so miese Quote könne sich nicht mal Ulla Schmidt im Sommerloch leisten. Und ob ich etwas dagegen hätte, dass man meine Erzeugnisse jetzt bei Google-Books mit Google-Trends kreuze und mir die Klickliste stündlich zutwittere. Damit ich schneller informiert sei, wenn man verramsche, wegen der Lagerhalt... pardon der Followerleichen.

Der nächste war mein Banker, also der Mann von der Bank, die noch existiert, weil sie so irre viel Profitklicks gemacht hat. Sie hätten gerade die Beliebtheitsrate für Eingänge auf meinem Konto überprüft, das sehe haarsträubend aus. Zwar sei ich nicht im Minus, aber eine Quote von Zahlungen, die deutlich über der Quote von Einzahlungen liege, müsse genauso geblockt werden wie ein Twitteraccount, bei dem man Zehntausenden hinterher rennt, ohne selbst verfolgt zu werden. Gerade wollte ich ihn damit umgarnen, dass ich einige Live-Auftritte zu erwarten hätte...

Aber dann fiel mir siedend heiß ein, dass die Veranstalter in letzter Minute reihum meine Termine storniert hatten. Einer sagte ab, weil das Zielpublikum sich geändert habe: "Die wollen einen abgehalfterten Kerl, zwischen 20 und 22, mit langjähriger Businesserfahrung, MBA und Lizenz zum Predigen." Der nächste machte es nicht unter einer Twitter-Miss, Miss France oder Fernsehtusse. Es sei denn, Sie bringen Ihren Hamster und ... Danke, hatten wir schon mal! Und dann der: "Sie haben nur 133 Follower und schmeißen ständig welche raus. Wie sollen wir dann einen Saal mit 200 Leuten füllen?"

Der Tag hätte wenigstens sanft zu Ende gehen können. Wenn mich nicht meine Offline-Freundin gerade angerufen hätte, sie könne heute abend nicht mit mir ausgehen. Drei andere hätten sie schon angeklickt.

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1 Kommentar:

  1. Ich hab's gewusst, ich hab's gewusst! Inhalte, Schreibe, Autorenjournalismus: Alles nicht mehr gefragt. Um gelesen zu werden, muss man dem Pawlowschen Publikum nur ein Trendzuckerle vor die Nase halten - und schon kommen sie alle angewetzt. Mein Hamster, der erstunken und erlogen ist, und sein Verlobter haben die Besucherzahlen massiv erhöht. Das Internet ist ein perfektes Propaganda-Instrument für Gleichgeschaltete.

    Ich weiß jetzt, warum aus mir nichts wird. Werde zuerst darum bitten, den "Lavendelblues" in "Loboblues" umzubenennen und schreibe demnächst eine glückliche Kulturgeschichte des Schnitzels.

    So, und jetzt geht alle wieder brav heim, die ihr hier fälschlicherweise gelandet seid und meine Beiträge in Wirklichkeit gar nicht lesen wollt! Huschhusch, der Sascha wartet!

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