Lesungshonorare

Ich habe ja schon öfter hier über Norm- oder Mindesthonorare und unbillige Praktiken gegenüber AutorInnen geschrieben. Und zum Glück versucht jetzt die Protextbewegung, sich für den Wertewandel in der Öffentlichkeit einzusetzen: Auch Textarbeit ist etwas wert. Kein Autor, keine Autorin sollte sich prosti..., pardon, verschenken.

Immer wieder überraschend ist der internationale Vergleich. Eben entdeckte ich Angaben der Schweizer, so dass das Dreierpaket der deutschsprachigen Länder nun komplett ist. Demnach verdienen AutorInnen im größten Markt, dem deutschen, am schlechtesten? Hier der vorläufige Überblick über

die offiziell von Berufsverbänden empfohlenen MINDESThonorare für Autorenlesungen (dazu kommen noch Spesen und Übernachtungskosten für den Auftritt plus evtl. MwSt.):

Deutschland
Einzellesung: 255,65 Euro, inklusive / exklusive? MwSt. Quelle: VS, seit 1998 nicht erhöht (!)
Gemeinschaftslesung: Keine Angaben gefunden
Österreich:
Einzellesung: 300 E plus MwSt. Quelle: IG Autorinnen und Autoren
Gemeinschaftslesung: 215 E plus MwSt. pro AutorIn
Schweiz:
Einzellesung: 600 SFr pauschal = 396 E Quelle: AdS (Verband der AutorInnen der Schweiz)
Einzellesung: 500 SFr = 330 E, Kinder- u. Jugendbuch, Quelle Autillus
Gruppierte Lesung 300 SFr = 198 E, Kinder- u. Jugendbuch, Quelle Autillus

Wie gesagt, es handelt sich hierbei um empfohlene MINDEST-Honorare für ganz normale, einfache Lesungen - je nach Eventcharakter steigt natürlich der Preis entsprechend und auch der Bekanntheitsgrad sorgt für einen zusätzlichen Bonus.
Übrigens darf man frei verhandeln und muss sich nicht an verschnarchte Honorartipps von 1998 halten - inzwischen ist einiges an Preissteigerungen und Inflation ins Land gegangen.

Ich muss wohl kaum etwas dazu sagen, mit welch abstrusen Argumenten mancherorts gegen Honorare vorgegangen wird und mit welch abstrusen Begründungen sich KollegInnen das auch noch einreden lassen und selbst glauben. Einmal Googeln und der ganze Wahnsinn tritt zutage.

Weniger ist bekannt, dass viele Verlage für die oft weniger "flüssigen" kleinen Buchhandlungen Honorarzuschüsse zahlen (z.B. hier), dass der AdS in der Schweiz ebenso Auftritte sponsert und dass man als Autor außerdem den Veranstalter bitten kann, dass er sich zahlungskräftige Partner oder Sponsoren mit ins Boot holt. Eine andere Möglichkeit ist Tauschwirtschaft. Ist z.B. eine Buchhandlung in finanzieller Bedrängnis, könnte sie einen Buchgutschein vergeben. Kann ein Gastronom nicht zahlen, ließe sich freies Schlemmen bei ihm vereinbaren. Denn merke: Diese Leute würden auch nicht umsonst arbeiten.
Es gibt auch AutorInnen, die mittlerweile "Blacklists" von faulen Kunden austauschen, denn es sind immer wieder diesselben, die besonders hemmungslos Arbeit schnorren und AutorInnen glauben machen, das sei so üblich (und die machen es wieder ihre KollegInnen glauben, weil sie nichts anderes kennen, ein Teufelskreis).

Meine eigene Erfahrung: Es lohnt sich immer, professionell zu arbeiten und zu verhandeln. Und das sollte auf beiden Seiten einfach stimmen. Natürlich muss der Autor für sein Geld auch entsprechend etwas bieten! Mit amüsiertem Entsetzen las ich unlängst Verhaltenstipps für AutorInnen, bei denen ich dachte: Hoppla, muss man so etwas überhaupt dazusagen? Wenn das alles stimmt, kommen doch tatsächlich einige AutorInnen nicht vollständig bekleidet zum Vorlesen... Dafür gibt's natürlich Honorarabzug, ganz klar!

Bei Fehlern, neu vorliegenden Zahlen oder Änderungen würde ich mich über Hinweise in den Kommentaren sehr freuen! Obige Angaben sind ergugelt, also ohne Gewähr.

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7 Kommentare:

  1. Dem kann ich mich nur anschließen - auch von Verlagsstarter-Seite. Ziemlich unglaublich, dass es etwas vergleichbares noch nicht gibt im Netz. Börsenverein, Uschtrin...?

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  2. Freut mich sehr, wenn ich helfen kann! Offensichtlich redet man in unseren Breiten nicht gern über Geld (anders als in den USA). Selbst als ich schon zig Auftritte hinter mir hatte, musste man sich unter KollegInnen die Honorierung zum Vergleich wie Würmer aus der Nase ziehen.

    Offenbar gibt es viele Ängste, womöglich nicht so viel "wert" zu sein wie der andere. Und selbst in Autorenforen fand ich das Märchen vom Newcomer, der erst mal froh sein sollte, überhaupt lesen zu dürfen, umsonst natürlich.

    Ich denke - je mehr wir uns gegenseitig aufklären, desto gerechter werden auch die Zustände. Desto mehr Mut fassen z.B. AutorInnen, ihre Arbeit endlich als Arbeit zu begreifen.
    Und nein, es gibt nirgends Listen im Web - ich habe mir das alles mühsam zusammensuchen müssen, mühsam deshalb, weil man viel Müll und wenig Zahlen findet.

    Mir selbst ist es auch als Anfänger NIE passiert, dass ich umsonst lesen sollte. Solche unlauteren Angebote reißen erst seit etwa ein, zwei Jahren ein - leider auch bedingt dadurch, dass KollegInnen den Markt mit Dumpingangeboten kaputt machen ("aber der XY verschenkt seine Lesungen doch auch") - und durch eine allgemein verschlechterte Zahlungsmoral ("wir haben doch eine Krise" / "wir kommen kaum über die Runden").

    Schlägt man solchen Veranstaltern freundlich vor, ihre wirtschaftliche Bedürftigkeit gegenüber der eines Autors glaubhaft darzulegen, damit man ihnen vielleicht mit Tauschwirtschaft entgegen kommen könnte, geht's plötzlich doch. ;-)

    Auch das eine ganz persönliche Erfahrung: An der Art, wie man als Autor behandelt wird, erkennt man schnell die Professionalität des Gegenübers.

    @Doro Martin
    Ich bin zufällig schon mal im Verlagsstarter Blog hängengeblieben. Hut ab vor jedem, der jetzt "trotzdem" eine Existenzgründung durchzieht - und vor allem so fundiert anfängt. Und das auch noch in dieser verrückten Branche! Toitoitoi!

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  3. Nachtrag: Seit diesem Beitrag habe ich sprunghaft Besucher aus einem Autorenforum - jedoch aus einem öffentlich nicht zugänglichen Thread. Offensichtlich gibt es bei Autorenhonoraren doch jede Menge zu verbergen...

    Liebe KollegInnen, willkommen. Ich empfehle euch gleich noch einen Blick in die Protextbewegung, rechts im Menu unter "der besondere Tipp"!

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  4. Ich bekomme ab und zu Kommentare per Mail - und verstehe manchmal nicht, warum man sie nicht hier hineinstellen mag - zur Hilfe für alle. Man kann diese Kommentarfunktion auch anonym nutzen und mir macht es weniger Arbeit. Mit dem Einverständnis der Mailenden bringe also ich selbst noch ein paar anonymisierte Punkte:

    1. Jemand sagte, dass bei Kinder- und Jugendbuch-Lesungen weit weniger gezahlt würde als im Erwachsenenbereich. Da kenne ich mich gar nicht aus, aber das Schweizer Beispiel lässt einen Unterschied erahnen. Wer da Links mit Richtwerten oder öffentlichen Empfehlungen hat - immer her damit!

    2. Jemand mailte, die Verhandlungen mit sehr viel niedrigeren Honoraren als hier angegeben gestalteten sich meist nach dem Prinzip "Friss oder stirb". Nun, das passiert einem in allen freien Berufen hin und wieder.

    Meine persönliche Meinung: Ich muss nicht alles fressen, ich kann mir mein Menu selbst aussuchen. Und ja, das bedeutet auch Verzicht.

    Sagen wir es mal knallhart, wie es ist: Eine einmalige Lesung, wenn man nicht eh schon einen Namen hat oder eine ganze Tournee (!) plant, bringt als Werbe- oder Verkaufseffekt so gut wie nichts. Sie bringt Kontakt mit dem Publikum, macht diesem im Idealfall Spaß, und generiert Einkommen. Das war's.

    Es klingt zwar wie Dagobert Duck, aber man sollte, wenn man sich partout weit unter Wert verkaufen möchte, genau aufrechnen, welchen Wert der Partner beisteuert. Welche Presse kommt tatsächlich und schreibt dann auch? Brauche ich so dringend einen Artikel im Hinterwälder Boten? Treffe ich dort den wichtigsten Multiplikator für meine Themen? Sind meine Bücher vorher und nachher im Schaufenster präsent etc. pp.
    Alles Abwägungen, die mit PR zu tun haben. Die versprechen einem solche Veranstalter gern aus der hohlen Hand - aber welche Maßnahmen werden tatsächlich unternommen?

    Na, hat das jetzt weh getan? Man kann Infos so anonymisieren, dass keiner mit dem Finger auf Kollegen zeigt, also nur Mut - ich freue mich über Kommentare!

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  5. Kann mich meinen Vorrednern nur anschließen - ihr Beitrag ist sehr hilfreich. Ich dachte bisher auch, dass ich für Lesungen nichts erwarten kann, da ich sie als eine Art Marketingmaßnahme gesehen habe.

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  6. Eine Lesung ist natürlich im Idealfall - unter anderem - ein Marketinginstrument. Und zwar auch eines für den Veranstalter, der mit solchen Aktionen neue Kundschaft wirbt, bereits vorhandene Kunden enger an sein Geschäft bindet, sich bekannt macht und sich vor allem durch die Auswahl des Programms auf Dauer ein eigenes starkes Profil gegenüber der Konkurrenz schafft.

    Die meisten Verlage unterstützen so etwas mit eigenen Werbematerialien - und dem Buchhandelsrabatt an den verkauften Büchern, der um ein Vielfaches über den Autorentantiemen liegt.

    Wenn ich deshalb mal als PR-Frau sprechen darf (so ein komischer "Nebenberuf" von mir): Eine gelungene Lesung ist eine Veranstaltung, aus der BEIDE Geschäftspartner mit Gewinn nach Hause gehen, sowohl finanziell als auch ideell.

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