Sich verkaufen

Ich hasse es. Aber es gehört nun mal dazu, heutzutage immer mehr. Verkaufstexte. Ich muss Text für den Katalog liefern, denn nur ich weiß ja, was ich noch schreiben werde. Für andere schreibe ich Werbetexte aus dem Ärmel, könnte Klappentexte beim Frühstück entwerfen und Rezensionen in der Kaffeepause. Ich mache doch sogar PR professionell! Bei mir selbst funktioniert es nicht. Ich schreibe an so einem Fragment länger als an einem halben Buchkapitel. Bin nie zufrieden. Aber das geht auch den meisten Kolleginnen und Kollegen so, habe ich mir sagen lassen. Warum eigentlich?

Als Autor ist man hoffnungslos betriebsblind. Man steckt zu tief im Stoff, die Materie ist zu nah. Autoren müssen in dieser Hinsicht in völliger Verblendung schreiben, denn es geht darum, die Buchwelt gegen die Echtwelt aufzubauen. Und dann soll man sich plötzlich in Buchhändler hineindenken oder in Leser? Die wenigsten Schriftsteller haben das gelernt. Viele haben keine Ahnung, worauf ein Händler achten mag oder was Tante Erna interessiert, die den Text auf dem Buchrücken überfliegt. Was ist denn nun so kaufenswert an diesem Buch? Autoren nähren doch eher den Selbstzweifel, um noch besser zu werden...

Eigentlich sollte man solche Texte von anderen schreiben lassen. Aber das geht eben nicht immer. Auch in großen Publikumsverlagen tippen viele Autoren lieber gleich für sich selbst und lassen die Werbeabteilung dann überarbeiten. Doch wie verkauft man sich nun unaufdringlich, aber wirkungsvoll?

Ein Kollege aus der Werbebranche hat mir vor vielen Jahren einen Rat gegeben, der auch unter schlimmstem Zeitdruck funktioniert, obwohl er völlig pervers klingt: Sei dein schlimmster Feind!

Gemeint hat er damit, dass ich in die Rolle meines Gegners, meines Feindes schlüpfe und mit dessen Augen Thema, Projekt und Ausführung betrachte. Nicht, dass dieser Feind alles niederbügeln soll. Er muss das Ding, obwohl er es für grässlich hält, in seinem Laden verkaufen. Also muss er irgendetwas an ihm finden, das er Tante Erna andienen kann. Ihn interessiert nicht die gelungene Satzmelodie auf Seite 23, Absatz vier. Es stört ihn allenfalls, wenn die Autorin ihre Figur liebt, weil. Er hat keine Lust auf Gedöns vom großen Thema, keine Lust, vom irre spannenden Sujet, von irgendwelchen "wahnsinns" Geschichten zu hören.

Dieser mein schlimmster Feind kehrt erst einmal all mein Privatgelüst in den Mülleimer und fragt mich: Was bitte hat Tante Erna davon, das zu lesen? Warum soll sie mir Geld dafür geben und nicht für das Buch daneben? Mich interessiert nicht, was du daran magst. Mich interessiert allenfalls, welche deiner Faszinationen auch Tante Erna teilen könnte. Fasziniere sie, nicht dich!

"Lesernutzen" heißt das in der Fachsprache. Es ist das, was man beim Schreiben egozentrisch aus den Augen verliert, verlieren muss. Und dann ist es wieder da und es ist so ekelhaft, weil man sich als Autor fragen muss, warum man um Himmels Willen die Welt mit seinem Gesülze belämmern muss. Was würde die Welt verlieren, wenn es dieses Buch nie gäbe? Was bleibt übrig?

Stopp. Genau in solche Grundsatzfragen darf man sich nicht verwickeln lassen. Es geht nämlich nicht darum, eine neue Sekte zur Weltverbesserung zu gründen, sondern nur darum, ein Buch zu verkaufen. Und das ist nichts Schlechtes, nichts Böses. Es ist eine Dienstleistung an Tante Erna, die Prospekte sammelt und wissen will, was der Buchhändler empfiehlt. Es ist eine Art Handreichung. Und so wird der schlimmste Feind zum liebsten Feind - denn er zeigt dem Autor, was jenseits des Eigeninteresses Bestand hat. Der liebste Feind lehrt mich eine neue Dimension meines Projekts. Mich fasziniert meine Geschichte längst - ich arbeite mit Leidenschaft und Lust daran. Warum also soll sie nicht andere faszinieren können? Diesen Funken gilt es zu übertragen. Und das kostet eben Hirnschmalz.

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