Romane stricken

In meiner Schulzeit bekam ich von einem Lehrer öffentlich den Spitznamen "tricoteuse", Strickerin. Nur weil ich, wie alle damals in der Klasse, während des Unterrichts strickte und dabei hin und wieder kleine, spitze, ironische bis zynische Kommentare aus der letzten Reihe abgegeben haben soll. Heute weiß ich, dass der Mann umsonst Angst vor mir hatte, denn eines habe ich mein Leben lang nie gelernt: richtig stricken.

Als ich meine ersten beiden Romane schrieb, fühlte sich das aber so ähnlich an. Als würde ich, weil ich das große Stricken von komplizierten Norwegerpullovern noch nicht beherrschte, erst mal eine Häkelprobe abgeben, mit festen Maschen. Alles ging noch so herrlich geradeaus, mit begrenztem Personal. Und jetzt sitze ich am dritten Roman und keuche. Da muss ich wirklich stricken, mit mehreren Farben auch noch, mit allen möglichen Ziermaschen, Rundungen, Löchern...

Jedenfalls fühlt es sich so an, wenn das Personal reichlicher geworden ist und in den Handlungssträngen unterschiedliche Knoten und Haken hängen. Hätte ich doch damals in der Schule nur besser aufgepasst, wie man Maschen zu- und abnimmt. Aber ich komme langsam dahinter, warum ich nie zum Handarbeitsgenie avanciert bin. Ich konnte noch nie Strickanleitungen lesen, geschweige denn, mir abstrakt vorstellen, wie man z.B. "abkettelt". Für einen Schal habe ich das mal per Internet gelernt, mit Deppenanleitung und zig Zeichnungen, dreidimensional.

Und so kam ich dann heute darauf, wie ich diese fette Schlüsselszene bewältige, in der zig Personen herumstehen, etwas tun sollen und einige in Streit geraten müssen etc. pp. Ich wollte ja nie stricken lernen und kann nur leidlich Schals fertigen. Damals, als mich dieser Lehrer nervte, wäre ich am liebsten Regisseur gewesen! Hätte ihn gern in komische Situationen auf eine Bühne gestellt und gesagt: So, nun mach mal, unterhalte uns. Deshalb immer diese geflüsterten Regieanweisungen...

Tja. Und so sitzt die Autorin gerade da und bastelt Männchen und Frauchen. Meine Romanfiguren. Und die schiebe ich jetzt lustig auf einer imaginierten Bühne herum, lass sie quatschen und schimpfen. Lustig, wie einfach und natürlich sich die Szenen ergeben.

Ich glaube, man kann Romane gar nicht stricken. Irgendwie spielen wir alle noch Playmobil. Und zum Glück können uns die Leser dabei nicht zuschauen.

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