Wie ein werdender Vater

Es heißt immer, Bücher zu schreiben sei wie Gebären. Nein, ich finde, es ist schlimmer, es ist wie Totalgeburt, Mann und Frau in Wehen, beide! Denn der Zustand, den man als Autor erlebt, kurz bevor ein Buch erscheint, der ist wohl am ehesten mit dem eines werdenden Vaters zu vergleichen!

Fieberhaft schaue ich auf den Kalender, leider ohne fixes Datum, so dass man nicht sagen kann "dreimal werde ich noch wach, heissa, dann ist..." Aber März, den haben wir jetzt. Und ich weiß, dass "Das Buch der Rose" letzte Woche aus der Druckerei gekommen sein und diese Woche zur Auslieferung schippern soll. Nix genaues weiß man nicht, aber irgendwo da draußen ist mein Buch schon körperlich, schon mit Händen zu greifen, Papier, Hardcover, Druckerschwärze und Farben, Bilder ... Alles nur noch eine Frage von Postwegen!

Derweil verwandelt sich die Autorin in ein nervöses, kopfloses Bündel von wartekrankem Mensch. Ich bin froh, dass ich nicht rauche, aber die Häufigkeit, mit der ich die letzten Tage zur Stricknadel greife, erschreckt mich. Ich stricke nämlich eigentlich auch nicht. Das Mopedgeräusch der Briefträgerin lässt jetzt nicht nur meinen Hund sofort senkrecht stehen, heute ist es mir zum ersten Mal gelungen, ihn zu überholen! Nach einer Tasse Kaffee vergesse ich, dass ich etwas getrunken habe. Ich lese all meine alten Agatha-Christies zum fünften Mal, weil das einschläfern könnte. Ich säge Holz, um nicht daran zu denken, und denke daran, weil man beim Holzsägen so viel schreibfreie Zeit hat. Ich laufe neben mir. Soll ich meinen Buchhändler mal anrufen, ab wann es sich lohnen könnte, nach Deutschland zu fahren?

Und wie wird das Baby aussehen? So hübsch wie auf dem Ultraschall-Foto in der Verlagsvorschau? Wird es alle zehn Finger haben? Katastrophen- und fehlerfrei erscheinen? Wie wird es sich anfühlen? Wie riechen? Alpträume kommen ab und zu hoch: von Büchern, denen 30 Seiten fehlen ...

Und was soll ich nur mit diesem Tag anfangen, wo ich weiß, es wandert irgendwo in Deutschland herum und beginnt langsam sein Eigenleben? Von wegen Geburt! Loslassen! Jetzt sind die LeserInnen dran. Und werde ich es selbst noch einmal lesen können? Wenn es doch nur schon so weit wäre. Ich muss mir eine neue Stricknadel anzünden und noch einen Baum rauchen...

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