Steineklopfen oder zurück zum Buch

Alle warten auf Morgen. Da soll der Winterkoller ein plötzliches Ende finden. Diese Dauermüdigkeit, mit der manche ihren Osterputz auf warme Zeiten verschoben haben, weil sich Ostern dieses Jahr einfach zu stürmisch und zu früh anfühlte. Es wird dann auch wieder mehr zum Bloggen geben, weil die Welt eine Dimension mehr erhält: das bunte Draußen. Ist ja alles so unbunt in dieser Welt, wenn man sich runterziehen lässt von Katastrophennachrichten.

Steineklopfen für die Kunst - auch eine Art Therapie.

Steineklopfen kann da richtig therapeutisch wirken! Genauso gerne wie ich Pfeffer aus Madagaskar oder Indonesien mit der Hand mahle, mörsere ich diese Brocken auf dem Bild. Sie stammen aus einem alten Steinbruch, der seit dem 17. Jahrhundert industriell abgebaut wurde, für Eisenerz und Ocker. Ersteres schmolz die elsässische Familie de Dietrich, die auch in meinem Elsassbuch eine große Rolle spielt, in ihren ersten Schmelzöfen. Die Verwendung des Ocker dagegen dürfte noch älter sein, auch wenn es in der Gegend keine Höhlenmalereien wie in Lascaux gibt. Aber eine uralte Maria ist als Zeichnung belegt, die auf recht heidnische Art zwei Schlangen hütet, als würden diese wie bei einer Wasserfrau aus ihr herauswachsen. "Marienbronn" heißt der nächste Ort, früher noch ganz ohne Gottesmutter "Meerbrun" genannt. Quellgöttinnen und Wasserfeen, die doppelt gewundene Schlangen hüten, mündeten nicht selten nach der Christianisierung in Statuen der Gottesmutter.

Dort liegt also so ein Brunnen, ein Erdmund - und er spuckt noch heute die Farbe des Lebens aus, die unsere Vorfahren - Homo Sapiens wie Neandertaler - für heilig erachtet haben müssen, weil der Ocker im Idealfall die Farbe von Blut hat. Das stimmt sogar chemisch gesehen - er enthält dann reichlich Hämatit, den man früher den "Blutstein" nannte, weil sich das glänzend-schwarze Mineral beim Zermahlen blutrot färbt. Jede Probe des Gerölls oder Sandes färbt anders: von Gelblich-Braun über Rosa und Ziegelrot bis hin zu fast grünlichem Schwarz. Mit einem Spezialverfahren binde ich die Pigmente so, dass sie auch auf Papier steinhart werden und sich nicht mehr abreiben lassen. Papier wird zu Stein.

Schön und gut, werden viele sagen. Aber wann schreibt die Frau endlich mal wieder Bücher?

Klingt vielleicht seltsam: Aber das Ockerreiben hat einige lose Enden zu Kreisen gefügt, die fast meditative Arbeit des schier endlosen Trocknens klärt Gedanken. Während ich mit den Fingern an mythischen Orten in der Erde wühle und in Muße die eben empfohlenen Bücher lese, spüre ich, wie ich langsam zu den eigenen Ursprüngen zurückkehre. Zu meinen ersten beiden Büchern über den Odilienberg und die Schwarzen Madonnen. Vor allem ersteres habe ich nicht neu aufgelegt, weil es wissenschaftlich tw. überholt ist oder nach neuen Erkenntnissen geprüft werden muss. Und weil ich mit der damaligen Art der Vermarktung persönlich nicht so zurechtkam. Als die Bücher erschienen, gab es einen Esoterikboom und die Verlage sprangen auf, koste es, was es wolle. Dabei bin ich keine Esoteriktante. Ich finde, unsere Welt und auch die Wissenschaft bergen genügend Wunder zum Staunen.

Ich wühle also im Dreck und stelle fest, dass ich noch genauso fasziniert von der Vorgeschichte im Elsass bin wie damals. Die Archäologen haben inzwischen noch mehr Funde von Merowingern, Galliern und aus anderen Zeiten zutage gefördert. Wissenschaftler werfen mit Reenactment, praktischen Versuchen und interdisziplinärer Forschung viel Weltgeschichte über den Haufen. Als ich in meinem ersten Buch schrieb, Neandertaler und Homo Sapiens hätten womöglich auch friedlich recht lange nebeneinander her gelebt, hielt man mich für verrückt. Heute weiß man dank Genforschung, dass das nicht nur sehr viel länger als gedacht der Fall war - sie haben sich auch gemischt und Kinder miteinander bekommen. Vor 20 Jahren undenkbar.

Schon wieder bin ich im Erzählen drin und könnte schwelgen von den Landschaften, denen man heute noch ansieht, dass dort ein gallisches Oppidum lag oder der Keltenwall im Wald. Und meine Lektüre vor allem von Andreas Weber öffnet mir die Augen, was mir beim Schreiben von "Geheimnis Odilienberg. Eine Reise durch heilige Räume und Zeiten" am Herzen lag. Der Verlag hätte es am Untertitel bemerken können, wenn die Zeit dazu reif gewesen wäre. Es ist gewissermaßen ein Versuch, in der realen Landschaft die Spuren des Heiligen wiederzufinden. In der Landschaft selbst liegen die physischen Spuren, Wahrzeichen, Gebäude - aus ihr werden die archäologischen Funde geborgen. Aber gleichsam wie ein Schleier oder eine Art virtuelle Karte liegen über dieser Landschaft auch die Mythen und Legenden, die Erzählungen von besonderen Menschen. In diesen Landschaften haben Menschen gekämpft, Göttinnen und Götter verehrt, geliebt und gehasst; haben Riten der einen Tradition die Rituale einer anderen abgelöst. Davon wollte ich damals erzählen. Von diesem vielschichtigen Gebilde Odilienberg (und nahen Regionen), das man mit den äußeren Augen und den inneren sehen kann, ähnlich wie die Traumpfade der Aboriginees.

Jetzt erst weiß ich das. Bald 20 Jahre nach Erscheinen. Jetzt bin ich frei von Verlagsvorgaben. Ich rede nicht darüber, erzähle viel vom Perlendrehen. Aber die klärenden Gedanken schreibe ich auf, so wie diese hier. Und da wächst sehr langsam, behutsam und mit viel wissenschaftlicher Recherche eine Datei mit Namen "Odilienberg". Die Neuausgabe. Für die ich mir alle Zeit der Welt nehmen werde. Weil ich möchte, dass dieses neue Buch für seine Zeit genauso wichtig und gut werden wird wie die Ausgabe von 1998 für die ihre. Ich will es auch neu erzählen: persönlicher, praktischer.

Es gibt da noch eine andere Datei: "Schwarze Madonnen". Die geht mir schneller von der Hand, weil ich die meisten Kapitel nur neu bewerten und lektorieren muss. Sprachlich habe ich Fortschritte gemacht und bringe deshalb auch Sätze besser in Fluss. Lange habe ich überlegt, wie ich mit dem Teil der modernen Spiritualität umgehen soll, der zeitgebunden Einblicke gibt in eine Welt vor der Jahrtausendwende. Wer erinnert sich noch? Das Internet war damals fast ausschließlich amerikanisch geprägt, steckte in den Kinderschuhen - und jene Frauen, die ich damals dort traf und beschrieb, waren echte Nerds, Pionierinnen. Sie waren aber auch geprägt vom Hype eines "Zeitenumbruchs" mit Stichworten wie Wassermannzeitalter (kläglich abgesoffen inzwischen), Göttinspiritualität und der Panik vor Y2K. Damals hatten wir tatsächlich nichts Besseres zu tun, als den Weltuntergang durch Microsoft zu befürchten. Die Medien machten mobil: Wildgewordene Atomraketen aus Russland, fehlfunktionierende Atomkraftwerke, der Zusammenbruch des Bankensystems, alles schien möglich. Und dann hat's ein einfaches Update gerichtet ...

Spiritualität, die in einem solchen Umfeld wächst, wirkt nicht mehr unbedingt im 21. Jahrhundert oder muss erklärt werden. Ich habe mich nun entschieden, die betreffenden Kapitel als Zeitdokument so im Buch stehen zu lassen wie damals, als sie brandaktuell waren. Aber ich werde sie heutigen Leserinnen erklären müssen als facettenhafte Einblicke in eine vergangene Zeit.

Der Zeitgeschichte geschuldet hat sich außerdem die Bedeutung des Buches zumindest für mich in eien Richtung verschoben, die bei der Erstausgabe fast niemanden interessiert hat. Ich erzähle in diesem Buch u.a. auch über die heidnischen Wurzeln des Islam und die alten Göttinnen in heute islamischen Ländern. Der Daech versucht in barbarischer Lebensverachtung, diese Funde, alten heiligen Stätten und das Wissen über diese Ursprünge auszulöschen. Es wird bestialisch gebombt und ermordet im Wahn, man könne Menschen das Wissen und ihre Wurzeln nehmen und die Geschichte, wie neue Religionen immer auch Relikte von alten in sich aufnehmen.

Deshalb ist dieses Buch für mich wieder wichtig und aktuell. Weil wir gar nicht genug auf diese Ursprünge hinweisen können. Weil wir das Wissen um die zivilisatorischen Anfänge verteidigen müssen gegen die Verblendeten, die Zivilisation auslöschen wollen in ihrem Todeskult. Gleichzeitig sind jene dunklen Göttinnen, die sich bis nach Mesopotamien verfolgen lassen, in ihren Bezügen zur Nacht und zum Tode wichtige Symbole, die uns lehren können, wie die Menschheit sich entwickelte im Umgang mit den eigenen Schatten. Auch dieses Buch wird es also wieder geben. Jetzt erst recht.Und vielleicht schreibe ich zum Thema des Umgangs mit dem Tod und dem Bösen noch ein, zwei Kapitel hinzu?

Und weil ich derzeit so viel altes Buchpapier und Zeitschriftenpapier drehe und knete und fädle, möchte ich beide Bücher auch wieder als Papierbücher herausbringen, das E-Book als Dreingabe. Das ist natürlich auch ein Extraaufwand.

Leider ist also vieles von dem, was ich arbeite, für mein Publikum erst einmal unsichtbar und verlangt Geduld. Mein Schmuck wird eher zu kaufen sein als diese Bücher. Da schlage ich mich im Moment nur mit der größten Geißel des Shoppings herum - der AGB, die wasserdicht auf Französisch formuliert, auf Englisch und eigentlich auch auf Deutsch übersetzt werden muss. Üble Hürde. Erst dann kann ich loslegen. Derweil bedanke ich mich schon mal für die Treue und Geduld meiner LeserInnen, die wissen, dass man solche Bücher nicht in wenigen Monaten einfach "rauskloppt".

PS: Mein gemütlicher Krimi liegt derzeit auf Eis. Eine der Hauptfiguren ist ein Rassist, tragend für den Plott. Und ich kann angesichts der derzeitigen Situation leider selbst nicht mehr drüber lachen, will aber auch keinen Düsterkrimi schreiben. Kommt Zeit, kommt Rat ...

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