Die virtuelle Konstante

Ich kann's ja längst nicht mehr hören: Den herbeigeredeten Unterschied zwischen dem "Real Life" und der Virtualität. Mein "echtes Leben" beinhaltet das Modem genauso wie den Fußmarsch, das Schwätzchen in Social Media sogar viel lieber als den Stammtisch im Wirtshaus. Aber wahrscheinlich sollte ich mich vorsehen. Immer häufiger werde ich von allen Seiten gewarnt: Das Gequatsche am Bildschirm soll einsam machen, depressiv sowieso, manchmal auch hyperaktiv und ungenießbar. Noch schlimmer: Das böse böse Internet sei daran schuld, dass sich unsere Welt so beschleunige; dass mir im Hamsterrad der Kommunikation wenn nicht kotzübel, so doch wenigstens schwummrig werden würde. Ich würde den Halt in der realen Welt verlieren, im Overflow der Informationen ersaufen und schneller auf die Zukunft prallen, als meine lahme Aura das verkrafte.



All diese Warner vor dem Herrn haben anscheinend noch nie wirklich einen Tag "Real Life" in einem Dorf fernab der Metropolen aushalten müssen. Ich persönlich habe gerade zwei Tage "Real Life" übersatt hinter mir, inklusive dem alljährlich üblichen Formularkrampf auf einer französischen Behörde namens Krankenkasse. Dort habe ich zuerst auf Papier einen Antrag für mein Internet-Account einreichen müssen, das der Papiereinsparung auf Behörden dient und dessen Zugang mir per Snailmail gesendet werden wird. Der Rest der Behörde ist ein zentralisierter Moloch in Strasbourg, in dem kleine fleißige Ameisen Formulare entgegennehmen, abstempeln und herumschieben, bevor sie in einer riesigen Fabrik von Archiv außerhalb der Stadt gebündelt werden, so dass man sie im nächsten Jahr nicht wiederfindet und im zweiten Jahr vernichtet, damit die überquellende Fabrik wieder neues Papier aufnehmen kann. Überall stehen selbstverständlich Computer herum, die jedoch nur zum innerbehördlichen Mailverkehr gedacht sind und wahrscheinlich auch zum Kaffeekochen.

Um einen etwa fünf Zentimeter hohen Stapel aller erforderlichen Papiere  abzugeben, musste ich zweimal die Strecke von etwa vierzehn Kilometern hin und zurück fahren, weil ein Blatt, für das die Kasse zuständig gewesen wäre, dort nicht vorhanden war und ich das dann privat aus dem Internet ausgedruckt habe. Denn der Computer im Amt kocht wohl nur Kaffee - wir wissen ja, Internet ist böse und würde nur zu allzu sehr beschleunigen. Ich will aber hier nicht mit Einzelheiten langweilen. Nur so viel: Mich haben die beiden letzten Tage extrem beschleunigt, ich hetzte über Straßen, verbrachte wertvolle Zeit hinter all den Heuwägelchen, die man in Haarnadelkurven am Berg so schlecht überholen kann, sah jede Menge völlig entschleunigter Männer den Rasen mähen und hätte beim Bäcker eine halbe Stunde verquatschen können, wenn mich dieses Echtleben nicht so gehetzt hätte mit seinen Öffnungszeiten.

Am Abend dann der soziale Reinfall, Isolation pur. Was mich interessiert, hat geschlossen. Die eine Freundin kommt gerade aus Land X ins Land Y, wohin ihr Mann schnell nachreist. Die Freunde CC hängen irgendwo an einer Küste herum und NN erstickt gerade in irgendetwas. War es Arbeit, ein Umzug, Urlaubsstress oder einfach nur das Internet? Das Schwätzchen mit den Nachbarn fällt kürzer aus als sonst, die Hecken müssen geschnitten werden, der Hof gekärchert, der Rasen gemäht, man ist in Eile bei zwei Monaten Vollurlaub. Und überall die gleichen Gespräche: "Du, ich glaube, irgendwann platzt was. Die Welt geht nicht mehr so weiter. Es verändern sich Dinge!!!"

Vorsichtig gebe ich zu bedenken, dass nach jeder Gegenwart eine Zukunft kommt. Mein Gegenüber schüttelt heftig den Kopf: "Nein, früher war alles besser. Früher hat sich nicht einfach irgendwas so schnell verändert!" - "Früher hast du auch deinen Hof mit dem Besen gefegt statt gekärchert." - "Das ist es ja, man steht einfach unter diesem permanenten Druck, das macht einen ganz verrückt!" Ich erspare mir die böse Frage, wie viel Bar Druck so ein Kärcher im Gegensatz zum Besen aufbaut.

Der Dauerlärm des Landlebens im Urlaubszustand und das ganz lebendige Echtlebenchaos um mich herum, in dem einfach noch viel weniger funktioniert als früher, weil man jetzt immer diese Ausrede mit dem bösen Internet hat, lässt mich nach einer geistigen Oase suchen. Da draußen ist mir gerade alles zu laut, zu beschleunigt und gleichzeitig zu zäh. Nichts funktioniert richtig, weil man nicht wahrhaben will, dass gewisse Konzepte veraltet sind oder man herkömmliche Denkweisen überdenken könnte. Man könnte diese Amtscomputer eigentlich sogar mit den Archivfabriken vernetzen, könnte Akten digitalisieren. Ich träume davon, all diesen Heckmeck eines Tages mit einem kleinen Update vom Schreibtisch aus erledigen zu können. Aber ganze "Echtwelten" sind gefangen in jenem "Früher war alles besser, aber fegen will ich auch nicht mehr".

Ich brauche einen Kaffee und eine Pause, muss wieder runterkommen. Dazu schalte ich den Computer ein und klicke Facebook an. Die Freunde, obwohl in Land X und Land Y getrennt, sind greifbar, CC kloppen ihre Strandlangeweile ins Smartphone und zeigen mir das schlechte überteuerte Essen von gestern. NN ist immer noch offline. Wahrscheinlich beschleunigt er gerade derart in irgendeinem Real-Life-Stress, dass er schon jenseits der Lichtgeschwindigkeit sendet. Ich trinke meinen Kaffee ganz entspannt am Schreibtisch mit mir nur virtuell bekannten Leuten, tausche ein paar nette Bildchen und mümmle ein Stück Tarte aux Myrtilles. Ein paar Zukunftsnachrichten fallen mir zu, da denken doch tatsächlich ein paar Leute so wie ich darüber nach, wie Menschsein nach dem Wegkärchern aussehen könnte. Es ist ein aufregendes und erhebendes Gefühl, wenn man der Zukunft beim Werden und Schlüpfen zusehen kann - und es entspannt mich ungemein, wenn ich die Finger da drin haben kann. Oder es mir zumindest einbilden kann, dass ich dabei war.

Das ist viel entspannender als das tägliche Aufreiben an den ewig gestrigen Strukturen, die längst mit der Lebenswirklichkeit kollidieren. Ich fühle mich jenem Amt wie im Zeppelin entgleiten und gewinne langsam wieder die innere Ruhe und Kraft, die es braucht, wenn nach zwei Monaten Bearbeitungsfrist die Nachforderung für ein Blatt Papier kommt, das man in der Archivfabrik nicht mehr finden konnte - um dann weitere zwei Monate lang jenes nachgreichte Papier zu bearbeiten. Jenes Amt ist eigentlich längst finanziell und funktionell am Ende, so wie vieles in diesem Land, aber man bewahrt den Status Quo. Denn früher war alles besser.

Das Internet mit seinen Quer- und Vordenkern, mit seinen Think Tanks und geistigen Unruhezellen macht mich glücklich. Da ist ein Leben außerhalb der Administrationsdepression. Da gibt es Dinge, die funktionieren, auch wenn der Server jenes Amtes nicht dazugehört. Da sind meine echten, realen Freunde drin und ein Teil meines Lebens und Wahrnehmens: Real Life ist eben auch das Web. Meine Hyperaktivität der letzten beiden Tage legt sich. Dank der Konversation in den Social Media und der Tarte aux Myrtilles bin ich wieder zu genießen, fröhlich und sowas von entschleunigt! Und wenn alles um mich herum hohl dreht und hohl schwätzt und hohl herumspinnt: Ich habe meine virtuelle Konstante. Im Internet kann ich sie alle blockieren oder ignorieren: Die Dauerkärcherer, die Rasenmäher, die Dummschwätzer vom Bäcker, die Papierfresser, deren geistige Kapazität gerade noch zum Kaffeeholen und Formulareinfordern reicht. Social Media sind so viel ruhiger als ein ganz normal stressiges Kuhdorf am Rande eines Naturparks. Das macht den Kopf frei für das, wozu ich gemacht bin: fürs Schreiben.

20 Kommentare:

  1. Im Internet kann ich sie alle blockieren oder ignorieren: Die Dauerkärcherer, die Rasenmäher, die Dummschwätzer vom Bäcker, die Papierfresser, deren geistige Kapazität gerade noch zum Kaffeeholen und Formulareinfordern reicht.
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    Genau das lässt geschätzte 99% der Blogs veröden: Die, die nicht der Meinung des Bloggers sind. werden blockiert und ignoriert.
    Ich lobe mir die Welt da draußen, die mich dazu zwingt, mich mit anderen Meinungen auseinandersetzten zu müssen.

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  2. Glaubst du im Ernst, ausgerechnet ich würde mich nicht mit Gegenmeinungen auseinandersetzen? ;-) Da hätte ich mindestens zwei Berufe verfehlt!

    Schlimmer noch: Eine Menge Zeitgenossen blockiere ich auch im echten Leben. Ich setze mich nicht an Stammtische, lese keine Bildzeitung, etc. Gegen meinen durchgeknallten Nachbarn, der seit heute Morgen neun Uhr immer noch kärchert (es ist kurz vor 19 Uhr), direkt unter meinem Arbeitszimmer, hilft allerdings nur noch das geschlossene Fenster und eine gehörige Portion Strawinsky.

    Nein, man muss sich nicht alles geben, weder virtuell noch real. Denn genau das macht krank und gestresst und bereichert nicht immer.

    Du siehst, ich bin völlig anderer Meinung als du, aber ich schätze deine Meinung sehr. Und ich hatte, zugegeben, sogar Vergmügen dabei, dir zu widersprechen ;-) Und jetzt schieße ich diesen Kärcherer auf den Mond ...

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  3. Nomadenseele, übrigens gebe ich dir vollkommen recht, dass es Menschen gibt, die bei Blogs sogar die Kommentarfunktion abschalten, weil sie keine Kritik aushalten. Problematisch finde ich auch die Möglichkeiten,Medienportale so zu konfigurieren, dass man nur noch die Artikel vorgesetzt bekommt, die man liebt. Wobei ich mich frage, ob wirklich wache Geister so etwas tun und wie die dann im "echten Leben" funktionieren mögen. Wahrscheinlich tragen sie da genauso Scheuklappen? Also tätsächlich kein Graben zwischen Real Life und Webverhalten ...

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  4. Nomadenseele, übrigens gebe ich dir vollkommen recht, dass es Menschen gibt, die bei Blogs sogar die Kommentarfunktion abschalten, weil sie keine Kritik aushalten.
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    Das habe ich auch schon zeitweise in meinem Warcraft-Blog gemacht, nachdem die Kommentar-Funktion nur noch für Beleidigungen mißbraucht wurde. Die Staatsanwaltschaft hat zwar ermittelt, aber von einer Anklage abgesehen.

    Ich meinte auch weniger dich, als andere. Letztens z.B. in einem Blog, dessen Betreiberin in der arabischen Welt lebt.

    Ich habe ihr ganz klar gesagt, dass ich nicht in einem Land leben möchte, in welchem Ausländer z.B. bei Verkehrsunfällen immer die Schuldigen sind. Und das mir das Land zu künstlich ist und mich persönlich nicht beeindruckt hat.
    Das war schon zu viel.
    (Wobei Auswanderer - Blogs immer ein wenig tricky sind; die Leute verbeissen sich so sehr in ihr neues Land, dass sie nichts mehr gelten lassen. Einen habe ich einmal gefragt, wie es als Deutscher direkt nach dem Krieg in den USA war, die Frage ist nie freigeschaltet worden.)

    Meine persönliche Erfahrung ist, dass alles zensiert wird, was nicht in den Kram passt. Richtig lustig ist das Spiel *Meine Blogfreundin mag mich nicht, also sperre ich die auch*.

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    Problematisch finde ich auch die Möglichkeiten,Medienportale so zu konfigurieren, dass man nur noch die Artikel vorgesetzt bekommt, die man liebt.

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    Ich finde vor allem schlimm, wie sehr dort ein Einheitsbild an Meinung freigeschaltet wird; am schlimmsten bei Zeit.de, andere Zeitungen gehen geschickter vor.

    Beispiel? Ein einem Artikel um eine lesbische Iranerin, der Asylgesuch abgeleht worden war, schrieb ich, dass ich dies in Ordung fände, weil wegen mangelnder Nachprüfbarkeit sonst jeder diesen Grund angeben könnte. Nicht mehr und nicht weniger - komplett gelöscht.

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  5. Heinrich2/8/12 21:33

    Für mich gibt es keine "Trennung" zwischen Real Life und anderen wie auch immer benannten Lebensarten.

    Als es noch kein Internet gab, habe ich mit Menschen per Kurzwellenfunk rings um die Welt kommuniziert.
    Da habe ich auch nicht zwischen realem und "Funkleben" unterschieden, egal, ob ich die Funkkontakte je persönlich getroffen habe oder nicht.

    Als die erste Eisenbahn fuhr, haben auch einige Menschen davor gewarnt, mit so hoher Geschwindigkeit zu fahren. Die "Warner" finden immer die Gefahrenstellen einer Welt.

    Als wir das erste Telefon bekamen (1954), haben meine Eltern mich auch gewarnt, nicht den ganzen Tag zu telefonieren. Aber vermutlich nicht, weil sie Angst hatten, dass ich virtuell vereinsame, sondern wegen der hohen Rechnung. ;)

    Ich will es kurz machen: Wer den ganzen Tag vor dem Funkgerät sitzt oder vor dem Fernseher, dem Internet-PC oder im Bett liegt, lebt eben sehr einseitig und muss "gewarnt" werden.

    Aber eines habe ich auch schon gemerkt. Wer im "Social Media" auf dem Laufenden bleiben will und verschiedene Informationen nicht verpassen will, darf wirklich keine langen Pausen machen. Nach einer längeren Pause macht die "Aufholjagd" mehr Arbeit, als wenn man gleichmäßig das Ohr auf den Schienen lässt.

    Das meinen vermutlich die Internetnutzer, die Social Media mit einem Hamsterrad vergleichen.

    Lange Internet-Pausen, abgeschaltete Kommentarfunktionen oder andere Rückzugsmaßnahmen können sich nur "Promis" leisten, bei denen 1000 Fans nur einen winzigen Bruchteil darstellen, oder sie aus anderen Gründen weder Feedback noch Informationen brauchen, was sich in der Netzwelt tut und tummelt.

    Gruß Heinrich

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  6. Richtig lustig ist das Spiel *Meine Blogfreundin mag xyz nicht, also sperre ich den auch*.

    So ist es verständlicher.

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  7. Nomadenseele, ich bin einigermaßen irritiert, was man so alles auf meine kleine ländliche Provokation projizieren kann. Ich hatte mir eingebildet, es ginge darin um etwas ganz anderes ;-)

    Lieber Heinrich, Sie haben einen der Kernpunkte wunderbar beschrieben. Und anhand Ihrer Reise von der Eisenbahn übers Telefon zur Kurzwelle kann man auch das Phänomen wunderschön beobachten, dass Menschen sich zu allen Zeiten und bei allen Veränderungen "beschleunigt" vorkamen. Dass es da immer Menschen gab, die Zukunft begrüßten, wenn nicht sogar gestalteten. Und daneben die anderen, die aus Angst vor dem Neuen und den Veränderungen sich nicht nur konservativ verhielten, sondern sogar noch einen Schritt zurück gingen. Ich denke an die Zeiten, als Dampfloks noch dafür verantwortlich gemacht wurden, sie seien nicht nur tödlich für die Menschheit, sondern könnten sogar aufgrund der Geschwindigkeit irre machen.

    Was mich heutzutage erschreckt, ist die Zahl der Medien (und Privatmedien), denen es nicht mehr gelingt, in Distanz und historischen Zusammenhängen Dinge zu beschreiben, zu untersuchen. Dem Internet passiert heute das Gleiche wie der Eisenbahn damals. Keiner will mehr mit dem alten Besen fegen. Natürlich kommen immer mal wieder Leute unter den Zug, viele sogar absichtlich und offenen Auges. Aber für jemanden, der mit dem Flugzeug unterwegs ist, ist der Zug auch nur ein gemütliches Fortbewegungsmittel wie andere.

    Heinrich, ich glaube nicht, dass wir bei Internetpausen wirklich so viel verpassen - dazu müssten wir ja auch alle anderen Medien abschalten. Wir können uns vielleicht nur nicht mehr so umfassend informieren, wenn wir nicht alle weltweiten Medien zur Auswahl haben. Dadurch, dass sich im Internet auch die Gegenströmungen bewegen, kann man, sofern man das aktiv sucht, ein runderes Bild bekommen.

    Kleines Beispiel: Der Prozess um Pussy Riot in Moskau, vom Fernsehen eher vernachlässigt und kurz nach offiziellen Quellen abgehandelt. Im Internet dagegen werden ganz fix die richtigen Twitteradressen, Übersetzertwitterer und Blogger durchgereicht, die den Prozess absolut kritisch beobachten. Einige twittern direkt aus dem Gerichtssaal, eine Redakteurin des Guardian ist vor Ort vernetzt und twittert neben ihren Artikeln live.

    Wer sich also wirklich dafür interessiert, was geschieht, der findet im Internet ein Eldorado an Meinungen. Für das zum Abwägen und Bewerten allerdings Medienkompetenz gehört.

    Und da sind wir bei dir, Nomadenseele. Du behälst dir Löschen vor und regst dich auf, wenn's eine Zeitung macht. Ich kann die Zeitung verstehen. Ich habe das auch schon gemacht in solchen Fällen (und ich lösche auch persönliche Beleidungen und Beschimpfungen ratzfatz, die durchaus auch hier vorkommen). Denn bei den Themen Politik und Religion kann man im Web leider nicht mit Medienkompetenz und Benehmen rechnen. Da kann es durchaus vorkommen, dass ein Medium, das auch einen Ruf zu wahren hat, einen missverständlichen Kommentar lieber löscht, um die Flut der Schweinereien, die darauf folgen wird, zu vermeiden. Auf welchem Niveau das abläuft, vor allem wenn Leser sich hinter Aliasen verstecken, kann man täglich in der gesamten Online-Presse sehen.

    Mir wird da regelmäßig schlecht, mit was für Menschen ich die Erde teile. Aber genau das ist auch ein Trugschluss: Wenn man diese Leute nur im Internet verortet. Diese Typen, die da voll die Sau rauslassen, begegnen uns im echten Leben beim feinen Empfang, unter Vorgesetzten und Kollegen, in der Disco, in der Fußgängerzone. Ich muss die aber nicht in meinen Bekanntenkreis aufnehmen. Weder virtuell noch real. Denn das Internet ist keine Gegenwelt zur Realität, es IST Realität.

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  8. Ich hatte gerade ein kleines Erlebnis, das die Grundaussage, Internet und reales Leben seien Ausdruck desselben, für mich bestätigt. bzw. ergänzen sich die beiden Faktoren, wenn man sie und sich selbst nicht missbraucht und überfordert. Morgen fahre ich nach Hamburg, um mich mit Sohn, Schwester und anderen zu treffen. Beim Schreiben eines Beitrags bei Facebook macht es plopp und eine Mail meines Sohnes kommt herein, den Zeitpunkt der Abholung betreffend. David ist in Afghanistan-früher, ohne Internet, Skype und Mails, hätten wir nur einen Bruchteil des Kontaktes haben können, den wir jetzt haben, und seit Facebook noch mehr. Vorbei die Zeiten, in denen man Leuten tagelang hinterhertelefonieren oder wochenlang auf Airmail warten musste.
    Herzlichst
    Christa

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  9. Wer sich also wirklich dafür interessiert, was geschieht, der findet im Internet ein Eldorado an Meinungen. Für das zum Abwägen und Bewerten allerdings Medienkompetenz gehört.
    ...

    Du behälst dir Löschen vor und regst dich auf, wenn's eine Zeitung macht.


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    Ich sehe durchaus einen Unterschied darin, ob ich lösche / sperre, weil sich so jemand daneben benimmt, dass die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen ermittelt oder ob - wie bei Zeit.de stündlich - andere Meinungen unterdrückt werden sollen. Gerade wurde wieder ein Kommentar von mir bei Zeit.de sinnenentstellt gekürzt. Ich werde dort auch nicht mehr kommentieren, weil mir das einfach zu blöd ist. Damit haben die ihr Ziel erreicht, nur noch stromlinienförmige Meinungen zu veröffentlichen. Zeit.de ist für mich das Sinnbild von Internetzensur geworden.


    Und bei den meisten Blogs geht es nur darum, dass der Blogger lesen möchte, wie Recht er mit seinen Theorien hat.
    Und genau da ist der Unterschied zum RL: Ich muss mir die Theorien und die Argumente der anderen anhören.

    Und das kann durchaus ein Gewinn sein, ich denke da z.B. an einen gläubigen Moslem, der *schuld* daran ist, dass ich seit 10 Jahren keine Garnelen mehr esse.

    Man bildet sich auch viel zu schnell ein Urteil über die Menschen: In WoW of Warcraft (ein Online-Spiel) habe mich mich einmal so gestritten, dass ich jemanden auf die Igno setzte. Später traf ich ihn wieder, da er mit einer Bekannten zusammen war und fand ihn sehr nett.

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    Mir wird da regelmäßig schlecht, mit was für Menschen ich die Erde teile. Aber genau das ist auch ein Trugschluss: Wenn man diese Leute nur im Internet verortet. Diese Typen, die da voll die Sau rauslassen, begegnen uns im echten Leben beim feinen Empfang, unter Vorgesetzten und Kollegen, in der Disco, in der Fußgängerzone. Ich muss die aber nicht in meinen Bekanntenkreis aufnehmen. Weder virtuell noch real. Denn das Internet ist keine Gegenwelt zur Realität, es IST Realität.
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    Es ist nicht meine Realität. Ich WILL gar nicht, mit jedem auf der Welt kommunizieren können.Alleine schon, weil geschätzte 90% der Menschheit moralisch nichts taugen oder zumindest komplett andere Werte vertritt als ich.


    Ich will nicht, dass irgendwelche Admins, Blogger und Praktikanten bei Zeit.de die Macht haben, meine Aussagen und damit dass, was andere über mich denken, zu formen.
    Das Internet ist ganz nett, wenn man etwas spezielle Interessen hat, wie ich mit Adventure - Spielen oder Jack the Ripper. Dann findet man eher Leute mit gleichen Interesse im Netz als im RL.

    Aber RL ist für mich die direkte Interaktion, dass, was ich anfassen kann.

    Ich verweise noch mal auf eine Rezi in meinem Buch: http://nomasliteraturblog.wordpress.com/2012/06/01/wer-bin-ich-wenn-ich-online-bin-und-was-macht-mein-gehirn-solange-wie-das-internet-unser-denken-verandert/

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  10. Morgen fahre ich nach Hamburg, um mich mit Sohn, Schwester und anderen zu treffen. Beim Schreiben eines Beitrags bei Facebook macht es plopp und eine Mail meines Sohnes kommt herein, den Zeitpunkt der Abholung betreffend. David ist in Afghanistan-früher, ohne Internet, Skype und Mails, hätten wir nur einen Bruchteil des Kontaktes haben können, den wir jetzt haben, und seit Facebook noch mehr. Vorbei die Zeiten, in denen man Leuten tagelang hinterhertelefonieren oder wochenlang auf Airmail warten musste.
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    Das ist aber eher eine Ausnahmesituation.

    Ich habe nicht das Bedürfnis, mit jemanden zu kommunizieren, der z.B. länger in Urlaub ist. Und noch mehr würde ich es mir verbitten, wenn ich dort belästigt würde. Ich bin jemand, der versucht immer im Hier und Jetzt zu sein: Wenn ich z.B. esse, dann esse ich und sehe nicht nebenbei TV. Und ich käme mir doof vor, wenn ich im Auto oder auf dem Pferd im Internet surfen würde.

    Ich habe gestern 1 1/2 Stunden beim TÜV gewartet und - Überraschung - es ging ohne Smartphone.

    Ich fühle mich offline wohler als online. Das Internet ist für mich nur Mittel zum Zweck wie jedes Werkzeug,

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  11. Heinrich3/8/12 11:56

    Liebe Petra,
    wir sind uns einig. Ich hätte meine "Social Media-Pausen" besser beschreiben müssen, um den fehlenden Anschluss zu belegen.
    Ich meine damit meine Gesprächsrunden in Themenforen, wo ich mit einer (fast) konstanten Zahl von Internetfreunden ausgewählte Themen diskutiere. Dort sind längere Abwesenheiten für mich einschneidender. Hingegen mir eine Facebook- oder Twitterpause erst gar nicht auffällt.

    Liebe Christa,
    wenn Sie in Hamburg einen alten Kerl sehen, der sehnsüchtig auf Alster, Hafen und in Richtung Meer schaut, dabei den Eindruck erweckt, dass hinter ihm ca. 180km Radtour liegen, dann bin ich das. ;)
    Sollte ich Sie erblicken, spreche ich Sie an! Nicht erschrecken. ;)

    Ich wünsche allerseits ein schönes Wochenende!

    Gruß Heinrich

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  12. Ich meine damit meine Gesprächsrunden in Themenforen, wo ich mit einer (fast) konstanten Zahl von Internetfreunden ausgewählte Themen diskutiere. Dort sind längere Abwesenheiten für mich einschneidender.

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    Ich finde so etwas schlimm. Und ich bin froh, dass ich nie von anderen Menschen im Internet abhängig war.

    Das einzige, was ich vermissen würde, wenn ich kein Internet mehr hätte, wäen Dienste wie Wikipedia. Ich habe schon überlegt, ob ich so ländlich ziehe, dass ich kaum noch ein I-net hätte.

    Ich würde ausser mein Lit-Blog und Wikipedia nichts Entscheidendes zurücklassen und da bin ich froh drum.
    Ich habe noch nicht eine Minute das Gefühl gehabt, etwas zu verpassen, wenn ich längere Zeit nicht online war. Wenn ich nicht meine Wohnung verlasse durchaus.

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  13. Nomadenseele, darf ich dich freundlich drum bitten, deine für mich und andere absolut unüberprüfbaren Behauptungen über die ZEIT nicht in meinem Blog abzuladen, sondern dich an Ort und Stelle zu beschweren, wenn du ein Problem hast?
    Da ich für mein Blog und leider auch die Kommentare rechtlich verantwortlich gemacht werden kann, müsste ich Behauptungen über namentlich genannte Firmen nämlich grundsätzlich löschen.

    Nur mal so als Erläuterung, dass es eine gewisse Selbstverantwortung beim Kommentieren gibt. Danke.

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  14. @Christa
    Dein Beispiel mit Afghanistan verdeutlicht wunderbar die Vorteile. Geht mir ganz genauso, denn viele meiner Freunde leben in anderen Ländern oder sind sehr oft / längere Zeit im Ausland unterwegs, nicht im Urlaub. Dank Internettechnik ist man sich näher und verliert sich nicht aus den Augen. Viele Partner, die ich kenne, und die dank der modernen Welt oft räumlich sehr getrennt arbeiten müssen, haben jetzt ganz andere Möglichkeiten, sich zeitnah auszutauschen.

    Was mich auch fasziniert hat, war eine Szenerie kürzlich bei einer Buchrecherche, als ich zu Besuch bei einer russischen Freundin war. Tauchte ein ziemlich kniffliges Problem auf, das wir nicht lösen konnten. "Wart, ich frag mal schnell meine Freundin!" (Eine Professorin in Moskau). Sagt's, wählt bei Skype durch, die Professorin erscheint an der Webcam und erklärt uns im Handumdrehen, worum es geht und schiebt einen Link rüber. Was ich bei Recherchen auf diese Art allein an Geld und Zeit spare, ist enorm. Selbst wenn ich die dafür nötigen Reisen machen könnte, ich könnte sie gar nicht bezahlen!
    Herzlichst, Petra

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  15. Ich habe mir der Zeit kein Problem, weil ich diese Zeitung im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen werde. Bedauerlich, aber nicht anders handhabbar.

    Zum Thema:

    Offensichtlich bin ich die Einzige hier, die kein Bedürfnis verspürt, sich mit wildfremden Menschen andauernd auszutauschen. Wichtig im Internet sind Portale wie Wikipdia, ich würde sogar soweit gehen, dass dies der einzig wichtige Dienst für mich ist, alles andere ist ersetzbar.

    Ich habe noch nie Skype gehabt und vermisse auch nichts; ich wüsste noch nicht einmal, mit wem ich skypen sollte oder wollte.

    Womit ich in diesem Thread komplett falsch bin.

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  16. Lieber Heinrich,
    es gibt so ein ähnliches Pausenphänomen in der PR in Social Media. Da habe ich gelernt, dass es ziemlich übel sein kann, wenn man z.B. eine Urlaubspause im Blog ankündigt - die Leute rennen weg und vergessen einen. Wer beruflich darauf angewiesen ist wie ich, muss eigentlich seine Fans irgendwie "sammeln" und dann anschreiben, um sich wieder in Erinnerung zu bringen, z.B. per Newsletter. Oder man taktet die Beiträge langsamer, aber regelmäßig.

    Ich kenne das Phänomen allerdings auch im "echten" Leben. Wenn man Freunde extrem lange nicht sieht, nicht kommuniziert, kann der Draht bei einem späteren Treffen auch nach Jahren noch da sein. Aber sehr oft lebt man sich dadurch auch auseinander und hat sich womöglich nicht mehr allzuviel zu sagen. Da hilft dann durchaus mal die Weihnachts- oder geburtstagskarte ...

    Schöne Grüße,
    Petra

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  17. Nomadenseele, du erwartest aber gerade, dass sich "wildfremde Menschen" mit dir austauschen? ;-)

    Weißt du, hier will niemand irgendjemanden missionieren. Ich verstehe nicht, warum du dich durch meinen Beitrag (in dem es um etwas völlig anderes ging) und die Kommentare hier derart unter Druck gesetzt fühlst. Aber ich denke, ich kann für die meisten in dieser Runde sprechen, wenn ich glaube, dass wir uns auch in der Blogkommunikation gegenseitig als Menschen aus Fleisch und Blut schätzen und durchaus virtuell kennen zu lernen versuchen.

    Ich würde mit einigen meiner virtuellen Bekanntschaften durchaus spontan einen Kaffee trinken gehen, wenn sich die Gelegenheit ergäbe. Viele meiner Echtlebenfreundschaften sind so gewachsen.

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  18. Nomadenseele, du erwartest aber gerade, dass sich "wildfremde Menschen" mit dir austauschen? ;-)

    - Überhaupt nicht, ich habe nur meine Meinung dazu geschrieben.

    Ich kommentiere kaum noch noch in Blogs, obwohl mir oft etwas zu dem Geschriebenen einfiele und das ist auch offensichtlich besser so, wie ich hier merke.

    Ganz einfach, weil ich überall komplett aus dem Rahmen falle und damit fast schon automatisch oft die einzige Gegenposition einnehme.

    Aber du hast Recht, war dumm von mir, hier zu posten. Bin auch wieder weg und widme mich dem - für mich - richtigen Leben.

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  19. Via Twitter kam von @dialogtexte gerade ein feiner Tipp zum Thema rein: How Networks become Communities:
    http://www.dialogtexte.de/index.php/2012/the-tribe-of-gv-how-networks-become-communities/

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  20. @Nomadenseele
    Du sagst: "Aber du hast Recht, war dumm von mir, hier zu posten."

    Das habe ich nie behauptet. Ich mag Menschen, die Gegenpositionen einnehmen und auch den Mut haben, aus dem Rahmen zu fallen. Ich wollte dir eigentlich nur klarmachen, dass dich hier niemand missionieren will. Niemand muss sich für seine Lebensentwürfe rechtfertigen müssen. Und zum Glück sind nicht alle gleich, das wäre ja bitter langweilig!

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